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Franz Schlegel: Mediziner, Zoologe, Naturwissenschaftler, Mitgründer und erster Direktor des Zoologischen Garten Breslau 1864
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Leseprobe:
Altenburger Arzt und Wissenschaftler wird erster Zoodirektor in Breslau
Franz Schlegel (* 7. November 1822 Altenburg, † 7. Februar 1882 Breslau) war ein
deutscher Mediziner, Naturwissenschaftler, Zoologe, Mitbegründer und erster Direktor
des Zoologischen Gartens in Breslau (Wroclaw).
Franz Schlegel wurde am 7. November 1822 in Altenburg / Thür. geboren. Er war der jüngste Sohn des Gelbgießermeisters Johann David Schlegel (1769-1850) und dessen Ehefrau Johanne Rosine, geb. Seiler († 1869). Aus der Ehe gingen weitere sechs Brüder und vier Schwestern hervor, wobei zu seinem Vorbild der älteste Bruder wurde, der berühmte Naturwissenschaftler, Zoologe und Ornithologe Hermann Schlegel (1804-1884), der in Leiden / Niederlande als Professor und Direktor des Königlichen Niederländischen Reichsmuseums für Naturgeschichte wirkte und mit dem er später in engem Kontakt stand.
Die Familie konnte durchaus als wohlhabend bezeichnet werden. Der Vater war ein erfolgreicher Handwerksmeister und Vertreter des aufstrebenden Bildungsbürgertums in Altenburg, der einen hohen Bildungsstand mit philosophischen und naturkundlichen Kenntnissen besaß. Er war als Entomologe anerkannt. Seine Fähigkeiten brachte er in die am 2. Juli 1817 gegründete „Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg“ ein, deren Mitglied und Kustos er wurde. Die Gründungsmitglieder setzten sich u.a. aus Beamten, Lehrern, Ärzten und Apothekern zusammen, zeitweise gehörten auch die Minister Bernhardt von Lindenau und Edler von Braun der Gesellschaft an, die sich zur Aufgabe gestellt hatte, durch wissenschaftliches Sammeln und Forschen zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse der Heimat beizutragen. Der Pfarrer und Ornithologe, Christian Ludwig Brehm (1787-1864), aus Renthendorf / Thür. wurde ab 1817 ebenfalls Mitglied der Gesellschaft und stellte einen ersten Grundstock für die naturkundliche Sammlung mit Vogelpräparaten zur Verfügung. Geprägt durch diese geistig anregende Atmosphäre, denn oftmals wurden die Zusammenkünfte in diesen Anfangsjahren der Naturforschenden Gesellschaft auch im privaten Wohnbereich durchgeführt, wuchsen die Kinder von Johann David Schlegel auf, ganz im Sinne des Forschungsreisenden Alexander von Humboldt (1769-1859), der diese Zeit als „Epoche der geistigen Entwicklung der Menschheit in ihrem Wissen von der Natur“ bezeichnete.
Franz Schlegel wurde frühzeitig ein „außerordentlich tiefgründiges zoologisches Wissen“ bestätigt. Während einige Söhne David Schlegels die Tradition des Familienbetriebes als Gelbgießer weiterführten, wandte sich Franz Schlegel, nach Besuch des Altenburger Friedrich-Gymnasiums, wie bereits sein älterer Bruder Hermann den Naturwissenschaften und der Zoologie zu.
Als Arzt, Naturwissenschaftler und Zoologe in Altenburg
Er studierte an der Universität Jena Medizin. Am 11. April 1848 veröffentlichte er seine Dissertation zu dem Thema Unguium Structura Eorumque Physiologia. In seiner Heimatstadt Altenburg lebte er als praktischer Arzt.
Franz Schlegel erwies sich frühzeitig als fortschrittlicher Geist und Verfechter von naturwissenschaftlichen Methoden und Forschungen für seine Arbeit, ob als Mediziner, Biologe oder Zoologe. Er stellte sich gegen jeglichen Vitalismus. Als ein wissenschaftlich Suchender in seiner Zeit vertrat er den naturwissenschaftlichen Materialismus des 19. Jahrhunderts mit der Aussage, dass die Tatsachen und Theorien der Naturwissenschaften ein Bild der Natur vermitteln, wie sie ist, fern jeglicher Spekulationen. Zu seinen Vorbildern gehörten die Mediziner und Wegbereiter Schönlein, Krukenberg und Wunderlich, die in der Wissenschaft der Medizin neue Wege der pathologischen Anatomie, Auskultation und Perkussion aufzeigten und im klinischen Bereich naturwissenschaftliche Methoden der sogenannten physikalischen Diagnostik anwandten. Schlegel sah ebenfalls wie sie, die Medizin als Naturwissenschaft, entgegen der noch weit verbreiteten Tradition der Auswüchse spekulativer Medizin unter religiösem Einfluss, in der Krankheiten immer noch als Folge des „Sündenfalls“ deklariert wurden. Seine Überzeugung beruhte darauf, Erfahrungen streng nach den Gesetzen der Natur mit allen Sinnen zu machen, um zur Wahrheit und Erkenntnis zu finden. Diese Haltung führte ihn in den nächsten Jahrzehnten zumeist zu eindeutigen und sicheren Resultaten in Medizin und Biologie. Als Bestätigung seiner erkenntnistheoretischen Haltung sowie als Höhepunkt und Triumph der Wissenschaft in Mathematik und Astronomie sah er die Entdeckung des Planeten Neptun im Jahr 1846. Er trat für freie Forschung ein, ohne Einschränkung durch weltanschauliche Dogmen oder Einengung des Denkens durch Schulen und Universitäten. Für seine Zeitgenossen waren seine Ansichten teilweise radikal und materialistisch, wobei sie sich jedoch eingestehen mussten, dass seine Ausführungen zu seinen vielschichtigen populärwissenschaftlichen Themen in Wort oder Schrift, durch ihren geistvollen Ideengang fesselten und dass sie sich durch seine modernen Auffassungen durchaus als „Zeugen eines Ereignisses fühlten“.
Sekretär der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg
Nach dem Tod des Vaters 1850 trat er mit neuen Ideen der „Naturforschenden Gesellschaft“ bei. Bereits 1851 wurde „Doctor Franz Schlegel“ anlässlich des Stiftungsfestes zum Sekretär gewählt, bezeichnet als „junger, mit regem Interesse und warmen Eifer für Naturwissenschaften ausgerüsteter Mann“. Er fiel durch seine vor der Gesellschaft gehaltenen Vorträge auf, die ein hohes Wissen und einen breiten Interessenkreis aufzeigten, der weit über die Medizin hinausging. Dabei spannte er den Bogen seiner Vortragsinhalte von Mikroorganismen und Parasiten des Menschen bis hin zu Polarexpeditionen und astronomischen Kenntnissen, die er anlässlich einer Gedenkrede für den Astronomen und Politiker Bernhard von Lindenau (1779-1854) darlegte.
Zur Stiftungsfeier der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg vom 5. - 9. Juli 1852, erstmalig gemeinsam mit der Jahresversammlung der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft veranstaltet, hatte Sekretär Dr. Franz Schlegel Veranstaltungen und Führungen durch die Sammlungen des Museums öffentlich zugänglich organisiert. Bereichert wurde diese Veranstaltungen durch zahlreiche Vorträge, u.a. auch durch die Berichte des gerade von einer 5-jährigen Forschungsreise aus Afrika zurückgekehrten Alfred Edmund Brehm (1829-1884), der später als „Tiervater Brehm“ mit seinen wissenschaftlich fundierten Tiergeschichten, Reiseberichten und seinem Nachschlagewerk „Brehms Tierleben“ Berühmtheit erlangte. Franz Schlegel hielt anlässlich der Stiftungsfeier einen vielbeachteten Vortrag „Über den Wechsel zwischen Leben und Tod in der Natur, eine allgemeine Naturbetrachtung“.
Außerdem verlas er ein Sendschreiben seines Bruders Hermann Schlegel aus Leiden / Niederlande an die Mitglieder der Gesellschaft, da dieser nicht selbst an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte, aber eine neue These aufgestellt hatte, die bei den Ornithologen heftige Diskussionen auslöste. Die von Franz Schlegel ab 1852 gehaltenen populärwissenschaftlichen Vorträge zu unterschiedlichen Themen wurden 1853 als Broschüre veröffentlicht. Sein Vortrag „Geisterklopfen und Tischrücken“, vor der Naturforschenden Gesellschaft am 12. April 1853 gehalten, erschien als Buch.
Dr. med. Franz Schlegel wurde mit seinem Beitritt in die Naturforschende Gesellschaft zu einem Motor, der mit Ideen zur umfassenden Veränderung der Arbeitsweise der Gesellschaft beitrug, indem er die Vortrags- und Museumsarbeit ab 1856 öffentlich zugänglich gestaltete. Seine Idee war neu und fortschrittlich. Im Protokoll der Gesellschaft wurde festgehalten: „Die Mitglieder begrüßten den Vorschlag des überaus aktiven Arztes mit Freude“, denn die Gesellschaft hatte bisher als „geschlossener Kreis“ nur mit ihren Mitgliedern gearbeitet. Schlegel setzte durch, dass die Öffentlichkeit der Residenz und ihrer Umgebung in die Vereinsarbeit mit einbezogen, gegen ein geringes Eintrittsgeld zu öffentlichen Vorträgen zugelassen und die Museumsschätze für Laien geöffnet wurden, um vor allem mit der prachtvollen Vogelsammlung Eindruck und Interesse bei einer breiten Bevölkerungsschicht zu erwecken. Für Altenburger Schüler des Friedrich-Gymnasiums und Seminaristen des Schullehrer-Seminars führte er Freikarten für den Besuch von Veranstaltungen ein, ebenso hatten die Familien der Mitglieder der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft freien Zutritt. Sein Programm wurde ein Erfolg. Die Gesellschaft gelangte wieder in das öffentliche Bewusstsein der Bevölkerung Altenburgs, erregte Aufsehen und Interesse mit ihren außergewöhnlichen Sammlungen aus vielen Erdteilen, aber auch über Landesgrenzen hinweg bei den Wissenschaftlern. Selbst der „Vogelpastor Brehm“ sparte nicht mit Anerkennung. Ein Vortragszyklus für die Öffentlichkeit folgte, abgehalten im Altenburger Freimaurer-Logenhaus, und wurde für das nächste Jahrzehnt zum festen Programm von Veranstaltungsreihen. Auch diese Qualität veränderte Franz Schlegel durch anspruchsvolle populärwissenschaftliche Themen für die Allgemeinheit, ob über Kometen, Astronomie, Mathematik, Physik, Mineralogie, Geologie, Darwins Lehre bis hin zu Reiseberichten Alfred Brehms u.a.m. Dafür wurden auch hochrangige auswärtige Gelehrte gewonnen. Er selbst hielt einen Vortrag zu einem damals hochaktuellen Thema „Das Leben der kleinsten mikroskopischen Tier- und Pflanzenwelt“, wobei er als Anschauung für die Zuhörer 5 Mikroskope mit Präparaten zur Verfügung stellte, ebenso einen Vortrag über seine Forschungen zu Trichinen mit den durch sie hervorgerufenen Schädigungen für die Menschen. Am 14. Januar 1862 hielt sein Neffe, der Chemiker und Afrikaforscher Otto Kersten[iii] aus Altenburg, noch kurz vor seiner Abreise zum Kilimandscharo, einen Vortrag über das hochaktuelle physikalische Thema der Spektralanalyse und sein Buch zu diesem Thema: „Über die Natur des Leuchtens der Flamme.
Schlegel erwies sich als naturwissenschaftlich denkender und handelnder Mediziner, der seine Erkenntnisse durchaus auf andere Bereiche, wie die Zoologie, abstrahierte. Er beschäftigte sich bereits in Altenburg intensiv mit Zoologie und verfügte über mehrere Räume, wo er als Liebhaber und Kenner der Tiere verschiedene, auch fremdländische Vogelarten hielt, sowie Amphibien und Kleintierarten, die es ihm ermöglichten, für die Wissenschaft förderliche Beobachtungen durchzuführen. Diese wurden dann in der Zeitschrift „Der Zoologische Garten“ veröffentlicht, u.a. mit neuen Erkenntnissen des Brutverhaltens bestimmter Vogelarten, Untersuchungen zum Winterschlaf verschiedener Kleinsäuger, Besonderheiten von Amphibien, aber auch Forschungen zu dem bisher ungelösten Geheimnis des sog. „Rattenkönigs“, wovon es ein Exemplar im Besitz der Naturforschenden Gesellschaft zu Altenburg gab, bestehend aus einem Knäuel von 32 mumifizierten Ratten.
Bis 1859 war Franz Schlegel Sekretär der Naturforschenden Gesellschaft, danach trat er in das Direktorium ein. Im Juli 1864 verließ er jedoch Altenburg und folgte einer Berufung nach Breslau (heute: Wroclaw), wo er zum Mitbegründer und ersten Direktor des Breslauer Zoos ernannt wurde. Die Naturforschende Gesellschaft Altenburg hatte ihm 1864 die Ehrenmitgliedschaft verliehen, und im gleichen Jahr wurde unter seiner Mitwirkung die Zoo-Zeitschrift „Der Thiergarten“ herausgebracht. Nach seinem Weggang stagnierte die wissenschaftliche Arbeit des Vereins in Altenburg für einige Jahre.
Mitbegründer und erster Direktor des Zoologischen Gartens Breslau/Schlesien
Als im Februar 1863, auf Initiative des Breslauer Oberbürgermeisters Dr. Julius Elwanger, ein Organisations-Komitee für den geplanten Bau eines Zoologischen Gartens in Breslau einberufen wurde, gehörte zu dem Kreis der Planer dieses anspruchsvollen Projektes bereits in der Gründungsphase, neben einem Stadtrat, Regierungsrat und Kaufmann, auch der Arzt Dr. med. Schlegel. Zu diesem Zeitpunkt war er noch in Altenburg tätig.
Breslau gehörte zu den größten deutschen Städten, war die bedeutendste Stadt in der Industrieregion Schlesien und geprägt durch ein großes bürgerliches Engagement der Bevölkerung, die sich mit einer Zoogründung die Verwirklichung des Zielkomplexes von naturwissenschaftlicher Bildung, Wissenschaft und Unterhaltung in ihrer südöstlichen Region Preußens erhoffte. Entstehen sollte der Zoologische Garten in einem vor der Stadt liegenden Ödland, nahe am „Strauchwehr“, wo die „Alte Oder“ vom Hauptstrom abzweigt. Da das Gebiet hochwassergefährdet war, musste ein Damm bis Wilhelmsruhe angelegt werden, was zu einer erheblichen Erhöhung der geplanten Kosten führte. Für die Finanzierung des Unternehmens Zoologischer Garten gründete sich eine Aktiengesellschaft.
Der Entwurf des Zoos, mit seinen architektonischen Zoo-Bauten, entstand durch Carl Lüdecke, wobei Dr. Schlegels Ideen und Wünsche als Zoologe Berücksichtigung fanden, ebenso wie die seines späteren Forschungs-Mitarbeiters Friedrich Tiemann, der als Konservator am Botanischen Museum der Universität Breslau wirkte. Durch den fachlichen Austausch Dr. Schlegels mit dem befreundeten Alfred Edmund Brehm, der gerade1863 den Hamburger Zoo eröffnet hatte, sowie weiteren Anregungen aus anderen Tiergärten, wurden diese Erfahrungswerte für die spezifischen Anforderungen in Breslau umgesetzt. Dr. Schlegels Zielsetzung bestand in der Verwirklichung einer artgerechten Tierhaltung zum Wohle der entsprechenden Arten, in Verbindung mit einer Geländeaufteilung der Zooanlagen unter tierpsychologischen Gesichtspunkten. Er sah einen Zoo als Landschaftspark mit strukturierten Tiersammlungen, inmitten einer inszenierten Natur mit einbezogener Architektur und Freigehegen. Seine Vorschläge fanden Eingang in die Planungsarbeit und Umsetzung der Parkgestaltung, die der Direktor des Botanischen Museums Breslau, Professor Dr. Heinrich Göppert, leitete. In die Parkgestaltung wurde auch eine Restauration als Anziehungspunkt für das gesellschaftliche Leben der Breslauer Bürger und Gäste einbezogen.
Bereits ein Jahr vor der geplanten Eröffnung des Zoologischen Gartens, wurde Dr. Franz Schlegel am 1. August 1864 das Direktorat übertragen. Anlässlich dieses Ereignisses veröffentlichte das Organisations-Komitee in der Zeitschrift „Der Thiergarten“ einen öffentlichen Rechenschaftsbericht über den Stand der Zoogründung in Form von „Nachrichten aus dem zoologischen Garten zu Breslau“. Interessante Einblicke wurden über die bisherigen durchgeführten Maßnahmen gegeben, denn der Zoologische Garten befand sich noch in der Bauphase.
Bereits ein Jahr vor der geplanten Eröffnung des Zoologischen Gartens, wurde Dr. Franz Schlegel am 1. August 1864 das Direktorat übertragen. Anlässlich dieses Ereignisses veröffentlichte das Organisations-Komitee in der Zeitschrift „Der Thiergarten“ einen öffentlichen Rechenschaftsbericht über den Stand der Zoogründung in Form von „Nachrichten aus dem zoologischen Garten zu Breslau“. Interessante Einblicke wurden über die bisherigen durchgeführten Maßnahmen gegeben, denn der Zoologische Garten befand sich noch in der Bauphase.
Hervorgehoben wurde die angelegte parkartige Gestaltung, im Mittelbereich mit einem großen See und einer Insel für Wasservögel, einem neu aufgeschütteten Hügel als Aussichtspunkt für die Besucher, dem fast fertigen „Restaurationsgebäude mit eleganten Räumlichkeiten und anmuthiger Gartenanlage“ und den bereits zu diesem Zeitpunkt ersten fertigen Bauten zur Beherbergung der Tiere, denn diese trafen bereits ein. Es handelte sich dabei anfänglich größtenteils um Schenkungen von Tierparkfreunden aus Breslau und dem Umland.
So stiftete der Breslauer Bankier und Fabrikant, Kommerzienrat Gustav von Ruffer, den ersten Braunbären. Als wichtiger Kommunalpolitiker gehörte er zu dem Kreis der Förderer, die ihr Engagement für die Stadt und für die Gründung und Finanzierung des Breslauer Zoologischen Gartens 1865 einsetzten.
Weitere Spender, zumeist dem sogenannten Bildungsbürgertum zugehörig, stellten für die Stadt und den Zoo wertvolle Tier- und Baumspenden bereit: 1 Dachs von Rittergutsbesitzer Richard; 2 Fischotter von Rittergutsbesitzerin von Nickisch; 9 Füchse von Justizrat Krug, Restaurateur Märtin, Brauereibesitzer Böhm, Heimann; 2 Rehböcke von Fabrikant Sudhoff, Gutsbesitzer Scheider; 1 Wildschwein von Oberforstmeister von Spangenberg; 2 Zwergziegen von Kaufmann Guttke; 3 Wespenbussarde von Apotheker Pfeiffer aus Oppeln; 5 gemeine Bussarde von Baron von Fürstenberg, Kaufmann Rosenthal, W. Sonnenfeld; 3 raufüßige Bussarde von Baron von Fürstenberg, Rittergutsbesitzer Wittke; 2 Turmfalken von Konservator Tiemann, Faktor Leja; 2 schwarze Milane von Kaufmann Jahn; 1 Sumpfohreule von Konservator Tiemann; 2 Waldkäuze von G. Fröhlich und F. Schmidt; 2 Paar Lachtauben von Fabrikant Meinecke; 1 Kakadu, 5 französische Hühner, 3 türkische Enten von Baron von Leckow; 1 Paar Pfauhühner von Rittergutsbesitzer Dr. Friedländer; 1 Paar Schwäne, 3 türkische Enten von Rittergutsbesitzer Dr. Heimann; 2 Möven von Rittergutsbesitzer Adolphi; 4 Goldfasane von Rittergutsbesitzer von Wallenberg-Wilkawe. Außerdem waren bis zum 1. August 1864 noch 4 Flussschildkröten, 1 Storch, 2 Steinmarder, 3 Cochinchinahühner, 3 schwarze Enten als Schenkungen zu verzeichnen, ebenso wurden wertvolle Sträucher und Bäume gespendet durch Rittergutsbesitzer Noak und Rother auf Koitz, Rendant Klose, Kaufmann Schierer, Kunst- und Handelsgärtner von Dabrizius und Weckwerth, Schlossermeister Meinecke, Baron von Leckow, Baron von Wechmar, Kommerzienrat Treutler, Direktor Firle, Apotheker Chaussy und Sonntag und der Seidenbau-Verein.
Am 10. Juli 1865 wurde der Breslauer Zoologische Garten, nach zweijähriger Bauzeit, unter Leitung von Dr. Franz Schlegel eröffnet. Es war damit die neunte Zoogründung Deutschlands, die mit Illumination, Feuerwerk und Konzertmusik gefeiert wurde. Zur Eröffnung waren auf dem damals 9 Hektar großen Gelände, als erste Attraktionen und große Anlagen, ein Bärenzwinger auf einem mächtigen Granitsockel zu bewundern, ein burgenartiger Bau aus rotem Backstein mit mehreren Türmen und Zinnen, verbunden mit Galerien und Tierläufen; dahinter befanden sich ein Belvedere mit einer Aussicht auf die Umgebung der Gartenanlage; ein Raubtierhaus; ein Haus für Hirsche und Damwild; ein Haus für Antilopen und Rehwild; ein Park für Kamele und Lamas, eine Stachelschweingrotte; ein Fischotterbassin; ein Höhlenbau für Wölfe und andere Raubtiere; ein Känguru-Haus; ein Rentier-Park; eine Murmeltiergrotte; ein Affenhaus; Gehege für Büffel; ein Schwarzwildstall; Ziegen- und Schafpark; ein großes Haus für Hühner und andere Vögel; ein Taubenhaus; ein Rindenhaus für Eichhörnchen; Käfige für Raubtiere und mehrere Vogelvolieren für Raubvögel, Stelzvögel u.a.m. Neben solchen Attraktionen wie Bären, Wölfen, Affen und großen Greifvögeln konnten die Besucher auch viele heimische Tierarten erleben, wie Fasane, Enten, Eulen und kleinere Raubtiere. Zur Eröffnung hatte der Zoo einen Bestand von 452 Tieren.
Dr. Franz Schlegels Amtszeit von 1864-1882 - Der Breslauer
Zoologische Garten entwickelt sich zu einem weltweit führenden Zoo
Der Zoologische Garten entwickelte sich vom ersten Tag seiner Eröffnung an sehr erfolgreich, und im ersten Jahr wurden bereits 67.000 Besucher registriert. Als Direktor, Naturwissenschaftler und Zoologe verfolgte Dr. Schlegel seine Ziele in dem von ihm geführten Breslauer Zoologischen Garten, als öffentliche Institution Wildtiere als lebendige Anschauung publikumswirksam darzustellen, aber auch Wissen zu popularisieren und zur Unterhaltung beizutragen, jedoch immer unter dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Forschungsarbeit. In enger Verbindung mit dem Tierforscher Alfred Edmund Brehm stehend, der sich durch sein auf zahlreichen Forschungsreisen erworbenes Wissen ebenfalls der Wahrheit verpflichtet fühlte, vertrat auch Dr. Schlegel dessen Auffassung einer modernen Tierhaltung nach geografischen und tierpsychologischen Gesichtspunkten.
Als Tierpsychologe beschäftigte sich Schlegel intensiv mit dem Forschungsgebiet der Tierseelenkunde. Er veröffentlichte darüber u.a. einen Beitrag über seine Beobachtungen der bei Direktor Alfred Edmund Brehm lebenden Schimpansin „Molli“ im Hamburger Tierpark, die durch Spaziergänge und Kaffeehausbesuche mit Brehm zu einer Hamburger Berühmtheit geworden war und der ein menschlicher „Schimpansenverstand“ bestätigt wurde: „Wir (mit Brehm) selbst haben uns wiederholt mit ihr unterhalten und sie auf Spaziergängen begleitet“. Auch seine Veröffentlichung über „Tierbudiker“ 1872 beschäftigte sich mit dieser Thematik.
Bereits 1867 gab Dr. Schlegel als Autor den ersten Zooführer als Leitfaden unter dem Titel „Führer im zoologischen Garten bei Breslau“ heraus, ergänzt mit einem detaillierten Lageplan, mit Leitwegen und einer Übersicht der Tierarten mit ihrer näheren Beschreibung, um damit naturwissenschaftliche Bildung und Erziehung zur Naturliebe zu vermitteln. Daraus ist zweifelsfrei zu ersehen, wie strukturiert der Zoo bereits in dieser Anfangsphase aufgebaut und welcher Tierbestand bereits vorhanden war. Dr. Schlegel sah von Anfang an seine Aufgabe als Direktor und Zoologe in der wissenschaftlichen Tierforschung und der führenden Rolle des Zoologischen Gartens bei der erfolgreichen Auf- und Nachzucht von Tieren. Die Erfahrungen und Berichte veröffentlichte er in verschiedenen Zeitschriften für eine breite Öffentlichkeit („Gartenlaube“, „Salon“, „Daheim“) oder für die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Der Zoologische Garten“, ebenso der mit ihm forschende Konservator Friedrich Tiemann, der sogar wegen der Vermutung einer durch Nachzucht im Breslauer Zoo entstandenen neuen Tierart, einer „Nackt-Ziege“, in Briefkontakt und Erfahrungsaustausch mit Charles Darwin (1809-1882) trat. Zahlreiche Veröffentlichungen zeigen die Vielschichtigkeit der Forschungen im Breslauer Zoo und deren Vernetzung mit europäischen Partnern im wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch. Dr. Franz Schlegel korrespondierte u.a. auch mit seinem berühmten Bruder in den Niederlanden, Professor Hermann Schlegel, über fachliche Themen.
Durch die wachsende Beliebtheit des Zoologischen Gartens in der Hauptstadt Schlesiens wuchsen mit den erzielten Einnahmen auch die Möglichkeiten, verstärkt Tierkäufe von neuen Exemplaren vorzunehmen. Bereits 1870 erwarb der Breslauer Zoo ein Löwenpaar mit zwei sieben Monate alten Löwen und begann eine erfolgreiche Zucht.[i] Große Handelszentren, die in „stehenden Menagerien“ lebende Tiere anboten, waren die bekannten Tiermärkte in den Hafenstädten London, unter Leitung von Charles Jamrach (1815-1891), Hamburg unter Carl Hagenbeck (1844-1913)[ii] und in Antwerpen, wo sich die Zoo-Leute zum Kauf von Raritäten einfanden.
Besonders London war das Zentrum für den Handel mit exotischen Tieren und Großwildtieren und eine gefragte Adresse. Elefanten, Löwen, Tiger, Affen wurden bis zum Verkauf im Londoner Zoo „untergestellt“. Zunehmend entstand jedoch auch zwischen den zoologischen Gärten der Austausch von Nachzüchtungen, denn die Zoodirektoren kannten sich untereinander sehr gut.
Zoodirektor Dr. Schlegel konnte 1873 den Breslauern einen langersehnten Wunsch realisieren, der zu einem Höhepunkt und einer besonders wertvollen Attraktion werden sollte - der Kauf eines indischen Elefanten in London. Dem Kauf vorausgegangen war eine öffentliche Lotterie und eine Spendenaktion in Breslau, um den Kaufpreis abzusichern. Theodor, der Elefant wurde von Schlegel selbst für 3.000 Taler in London erworben. Er kam nach einer Odyssee per Schiff nach Hamburg und am 14. September 1873 mit der Eisenbahn über Stettin und Posen nach Breslau, wo er bis 1888 in seinem Palais neuindischen Stils lebte.
Diese Sensation zog 30.000 Besucher an. Die Veranstaltungen wurden an Sonntagen im Zoologischen Garten präsentiert, wobei Hagenbecks Hamburger Organisation die jeweiligen Gruppen der Stammesangehörigen mit der Eisenbahn zu der jeweiligen Veranstaltung transportierte. Die Auftritte waren wirkungsvoll inszeniert, die Gruppen kamen mit Zelten, Frauen, Kindern, Pferden, Hunden und Ziegen, um ihre Sitten und Bräuche vorzuführen, Speere zu werfen, mit Pfeil und Bogen zu schießen, wild und laut zu singen und um Lagerfeuer zu tanzen. Ihre „Besichtigung“ in einem abgetrennten Teil des Zoos war nur durch eine zusätzliche Gebühr möglich, um „die unverschmutzten, sauberen Nationen“ sehen zu können.
Diese Stammesshows von Hagenbeck, er hatte insgesamt 54 Völkerschauen verschiedenster Nationen inszeniert und europaweit verkauft, lockten von 1876 bis 1914 unvorstellbare Menschenmassen in den Breslauer Zoo.
Unter Leitung von Dr. Franz Schlegel entwickelte sich der Breslauer Zoo bis zum Ende seiner Amtszeit 1882 zu einem der weltweit führenden Tiergärten.[i] Schlegel war Autor zahlreicher Bücher, Schriften und Vorträge zur Förderung des Wissens über Tiere, wobei er nicht nur über die publikumswirksamsten exotischen Arten forschte und schrieb, sondern als echter Tierliebhaber auch über Kleintierarten.
Doktor Franz Schlegel verstarb am 7. Februar 1882 in Breslau. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde seine Büste, in Anerkennung seiner außergewöhnlichen Leistungen als erster Breslauer Zoodirektor, anlässlich des 50-jährigem Bestehens des Breslauer Zoologischen Gartens im Pavillon der großen Raubtiere platziert. Sie ging jedoch Ende des Zweiten Weltkrieges verloren.
Sein Lebenswerk besteht bis heute weiter. Als Städtischer Zoologischer Garten Wroclaw (Breslau) ist er einer der größten Zoo-Einrichtungen Polens und gehört weltweit mit zu den modernsten wissenschaftlichen zoologischen Institutionen, deren Direktoren und Mitarbeiter, ganz im Geist der ehemaligen Gründerpersönlichkeit von Dr. Franz Schlegel, ihre Aufgabe vor allem in der wissenschaftlichen Forschung und Zucht von Tieren verstehen, heute auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Rettung von weltweit bedrohten Arten.
Auf einer Fläche von 33 Hektar und in modernsten Anlagen werden über 10.500 Tiere ausgestellt, die 1.132 Arten repräsentieren.
©Renate Schönfuß-Krause
29. November 2021
Hinweis:
Parallel zu dieser Arbeit wurde ein Wikipedia-Artikel Franz Schlegel (Zoologe) https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schlegel_(Zoologe) erstellt.
· Dissertatio Inauguralis: „Anatomico-Physiologica De Unguium Structura Eorumque Physiologia“. Ienae. Gedruckt von G. Schreiber 1848. Hochschulschrift. Jenensi Univ., Med. Diss., 1848
· „Allopathie die herrschende Heilmethode in ihrer neuesten Umgestaltung“; drei populäre Vorträge. Verlag von Otto Wigand, Leipzig 1850.
·
„Die verschiedenen Methoden der Heilkunst“. Drei Populäre
Vorträge.
Verlag von Otto Wigand, Leipzig 1853.
· „Die verschiedenen Methoden der Heilkunst: populäre Vorträge : Allopathie, Hydropathie, Homöopathie, Sympathie, Diätetik, dynamische Heilmethode, Volksmedicin, mystische Heilmethoden, Heilkraft der Natur“. Verlag von Otto Wigand, Leipzig 1853.
· „Zum Gedächtniß des K.S. Staatsministers a.D. Herrn Bernhard August v. Lindenau“: Protokoll der Monatssitzung der naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes am 20. Juni 1854. Altenburg: Hofbuchdr, 1854.
· „Mechanismus des Tischrückens“. Altenburg, J. H. Jacob. 1853
· „Mechanismus des Tischrückens“. Zweiter Beitrag vom 18. April 1853.
·
„Geisterklopfen und Tischrücken“: Vortrag, gehalten in
der Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes am 12. April 1853. Altenburg, J. H. Jacob.
https://books.google.de/books?id=tos9AQAAMAAJ&redir_esc=y Google Books]
· „Die zoologischen Gärten Europa's“. Breslau, 1866.
· „Führer im zoologischen Garten bei Breslau.“ Breslau, Verlag von Max Mälzer. 1867. Internet-Ressource
· „Führer im Breslauer Zoologischen Garten“. Breslau: Verlag von Max Mälzer. 1874.
· „Ueberseeische Stubenvögel, deren Pflege und Zucht“. Frankfurt a. M., 1869.
· „In Papitz bei Altenburg wurde zu Ende voriger Woche ein Rhinoceros (Nashorn) aufgefunden ...“ In: Zeitung für Stadt und Land; Nr. 14 vom 18. Febr. 1854.
· „Thierbudiker“ in „Die Gartenlaube“, 1872, Heft 2, S. 34-36
· „Das Bartschwein“, Zoologischer Garten 7, 1866, Heft 4, S. 135-136
· „Die Anthropomorphen oder Menschenaffen“, Zool. Garten 7, 1866, S. 262-264;
· „Die Paradiesvögel des Zoologischen Gartens in London“, 1866, Zoolog. Garten 7, Heft 3, S. 99-101
· „Die Kasuare unserer zoologischen Gärten“, 1866, Zoolog. Garten 7, Heft 5, S. 177-180
· „Das Flusspferd als Kindbetterin“, Zoolog. Garten 7, Heft 1, S. 34
· „Die Lemuren unserer zoologischen Gärten“, Frankfurt am Main 1868, IX. Jahrgang
· „Trollgäste unserer Thiergärten“ (Wanderratte), Zeitschrift „Der Salon“, 1875, 9, S. 1071-1077;
· „Ein seltener Gast“ (Luchs), Zeitschrift „Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft“, 1875, Verlag Payne / Leipzig, 12, S. 1520
· „Verschollene Tiere“, 1. Bd. 1883, Salon, S, 263
· Buch: Die zoologischen Gärten Europas, Quelle. Zootierliste, Veröff. Amsterdam, Artis Zoo / Natura Artis Magistra / Niederlande
Quellen:
Das vollständige Verzeichnis der Einzelnachweise und Quellen mit Referenzen auf die Textstellen ist in der PDF-Datei enthalten.