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Galgenberg, Hinrichtungen, Amtsgericht, Stadtgefängnis, Peinliche Befragungen, Halsgericht, Richtplatz, Erbgericht, Dingstuhl, Justizamtmann, Stadtrichter, Gerichtsamt, Lehnrichter – noch viele weitere Begriffe aus dem früheren Gerichtswesen könnte man aufzählen. Alle haben direkt mit unserer Stadt oder mit dem früheren Amt Radeberg zu tun, aber nur wenige sind bisher mit konkreten Fakten aus unserer Region hinterlegt.
So zum Beispiel der frühere Radeberger „Galgenberg“, außerhalb der Stadtmauern gelegen, auf dem heutigen „Brauereiberg“. Der nebenstehende Ausschnitt aus dem wohl ältesten detaillierten Stadtplan von Radeberg, aufgenommen 1665 vom kursächsischen Landfeldmesser Samuel Nienborg, zeigt an genau dieser Stelle einen Galgen als Symbol. Aber keinen „gewöhnlichen“, sondern einen „dreischläfrigen“ Galgen mit drei Säulen und drei Querbalken, an dem mehrere Verurteilte gleichzeitig hingerichtet werden konnten.1 Hier war also ein „Richtplatz“, hier wurden Todesurteile vollstreckt. Es gab in der Stadt eine „Hohe Gerichtsbarkeit“, auch Blut- oder Halsgerichtsbarkeit genannt, denn nur diese durfte Todesurteile verhängen. War das die einzige Richtstätte Radebergs? Gehörte sie zur Stadt oder zum Amt - oder zu beiden? Dazu später mehr, denn zum Verständnis sind einige kurze historische Erläuterungen notwendig. Ein Blick auf den historischen Stadtplan von 1665 zeigt ausschnittsweise die Kernstadt Radeberg vom Schloss Klippenstein, Sitz des Amtsgerichtes (Nr. 5) im Osten, bis zum „Galgenberg“, dem städtischen Richtplatz (Nr. 3) im Westen. Dieser Kartenausschnitt ist (im Gegensatz zum Original) genordet.
Bereits im Hochmittelalter, etwa vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, herrschte die klassische dreigliedrige Gewaltenteilung in die gesetzgebenden (Legislative), die rechtssprechenden bzw. richterlichen (Judikative) und in die „das Recht vollziehenden“ Organe (Exekutive). Die „Gerichtsbarkeit“ umfasste die beiden letzteren Glieder, also die Gerichte als Organe der Rechtssprechung und Rechtspflege sowie diejenigen Organe verschiedener Ebenen, die die Rechtsordnung zu verwirklichen und durchzusetzen hatten, wie Ankläger, Polizei, Justizvollzug (früher auch die Scharfrichter) und auch die Finanzämter (die früheren „Schösser“ bzw. Steuereinnehmer). Auch in Radeberg war das so, bis 1856 das Stadtgericht im „Gerichtsamt Radeberg“ aufging und schließlich 1952 das „Amtsgericht Radeberg“ aufgelöst wurde.
Historisch gesehen waren die weltlichen Gewalten in die „Hohe“ und „Niedere“ Gerichtsbarkeit zu unterscheiden. Davon unabhängig existierte noch die kirchliche Gewalt als Gerichtsbarkeit der römisch-katholischen Kirche, die nach dem kanonischen Recht urteilte.
Noch im Hochmittelalter war das Recht hauptsächlich mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht, geprägt durch sein Alter und seine Verständlichkeit. Es hatte sich bewährt. Die Rechtssprechung wurde durch „Laien“ gepflegt. Territorien, Burgen, Städte und Dörfer hatten verschiedene Gerichte und Instanzen. Ein ausgewählter Personenkreis der höheren Stände befasste sich mit der Rechtspflege (Urteiler, Dingleute, Gerichtsschöppen). Rechtskenntnisse waren zwar verbreitet, aber kaum aufgezeichnet.
Die schriftliche Fixierung von Rechtsvorgängen wurde zur Festigung und Vergrößerung der Herrschaftsgebiete immer wichtiger. Der „Sachsenspiegel“ ist das älteste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters, es entstand ab 1220. Erst 1532 erschien die „Constitutio Criminalis Carolina“ (CCC), ins Deutsche übersetzt heißt sie „Peinliche Gerichts- oder Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.“. „Peinlich“ entstammt dem lateinischen Wort „poena“ für „Strafe“. Es bezeichnet Strafen an Leib und Leben und findet sich auch im amtlichen Begriff „Peinliche Befragung oder Verhör“ als verharmlosendes Wort für Folter wieder.
Das Hochmittelalter wurde in unserem Gebiet von der jungen Markgrafschaft Meißen als Landesherrschaft geprägt. Die Burg Radeberg (das spätere Schloss Klippenstein) war eine von vielen strategisch wichtigen Grenzsicherungsanlagen (Burgwarte), die ab dem Jahr 960 an der östlichen Grenze zur slawischen Oberlausitz bzw. zu Böhmen errichtet wurden.
Der wettinische Markgraf von Meißen, Heinrich III. (der Erlauchte, * um 1215, † 1288) vererbte seinen grundherrschaftlichen Besitz Radeberg seinem Sohn Friedrich dem Kleinen (auch Clemme, * 1273, † 1316), der 1289 sein „Castrum Radeberch“ und auch Radeberg selbst dem böhmischen König Wenzel III. zu Lehn gegeben hat (infeudatum). Um 1330 hatten die Wettiner die Burg und den Ort Radeberg wieder dauerhaft erworben, die Grundherrschaft war gefestigt. Für die Verwaltungs- und Gerichtsaufgaben wurden als oberste Bedienstete des Landesherrn „Burgwarde“ eingesetzt, zumeist ein meist auf Lebzeiten verliehenes Reichsamt. Das zugehörige Land wurde ebenfalls verliehen, damit entstand das vielschichtige Lehnswesen.
Parallel dazu entstand das Radeberger „Burglehn“ als Ansiedlung der Bediensteten der Burg. Deren Bewohner unterstanden folglich nicht der Stadt, sondern dem Burgward, auch in Rechtssachen. Von einem Landesherrlichen Amt im Sinne einer gerichtlichen und administrativen Verwaltungseinheit war Radeberg noch weit entfernt. Später ließen die Wettiner ihre Herrschaft und ihre Einkommen auf Basis von Pfandverträgen durch einen sogenannten Vogt wahrnehmen. Fritzold von Nassau wurde 1335 der erste Radeberger Vogt, die Burg wurde „Vogtei“.
Markgraf Friedrich III. (der Strenge, 1332 - 1381) ließ um 1350 das „Lehnbuch“ als erstes Verzeichnis der Gesamtherrschaft anfertigen, in dem Radeberg schon einen herrschaftlichen Zentralpunkt darstellt. Über lange Zeiträume bildeten sich die „Ämter“ als Verwaltungsstrukturen, die „Vogtei“ und spätere „Pflege Radeberg“ entwickelte sich zu einem geschlossenen Amtsterritorium. Kurfürst Moritz von Sachsen (1521 - 1553) befahl 1551 die Anlage sogenannter „Erbbücher der Ämter“, in denen neben Einkünften und Rechten vor allem die Strukturen der Ämter, denen jeweils ein „Amtmann“ vorstand, festgeschrieben wurden. Mit dem „Erbbuches des Amtes Radeberg“ wurde 1551 das „Amt Radeberg“ mit Sitz im nunmehrigen „Schloss Klippenstein“, das Moritz von 1543 bis 1546 um- und ausbauen ließ, besiegelt.
Die wettinische Landesherrschaft beanspruchte mit dieser „Amtswerdung Radebergs“ (nicht die Stadt Radeberg, sondern die frühere Vogtei wurde Amt) natürlich auch die gerichtliche Oberhoheit, das Amt erhielt die Obergerichtsbarkeit (auch Höhere Gerichtsbarkeit genannt) über alle zum Amt gehörigen Ortschaften. Nach dem Amtserbbuch von 1551 waren das3: Naundorf, Friedersdorf (Meißner Seite), Mittelbach, Kleindittmannsdorf, Lichtenberg, Leppersdorf, Großröhrsdorf, Kleinröhrsdorf, Lotzdorf, Wallroda, Arnsdorf, Kleinwolmsdorf, Großerkmannsdorf, Kleinerkmannsdorf und die Stadt Radeberg (das Burglehn gehörte bis 1840 nicht zur Stadt). Die Amtsgrenzen und folglich die Zugehörigkeit der betroffenen Ortschaften zum Obergericht / Gerichtsamt haben sich in der Folgezeit mehrmals verändert.
Dem Obergericht oblag die Blut-, Hals- und Peinliche Gerichtsbarkeit, d.h. die Rechtssprechung über Totschlag, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Betrug, schweren Diebstahl und Gotteslästerung. Gerichtsherr war das Amt Radeberg, vertreten durch den Amt- bzw. Justizamtmann, der lange Zeit aus der Familiendynastie Langbein kam. Der bekannteste war wohl Ernst Ludwig Langbein (1734 - 1824), der ab 1756 Amtmann und von 1787 bis zu seinem Tode 1824 Justizamtmann war.
Der Begriff „Peinliche Gerichtsbarkeit“ assoziiert sofort das „Peinliche Verhör“ mit allen seinen Methoden, um den Angeklagten geständig zu machen, denn ohne „Geständnis“ durfte nicht verurteilt werden. Unvorstellbar, was der menschliche Geist ersann, welche Werkzeuge, Methoden und Vorrichtungen er erfand, um dieses Ziel zu erreichen, unvorstellbar, welche Qualen die Beschuldigten erleiden mussten. Viele solcher mittels Folter erpressten Geständnisse erfolgten nur aus der Not heraus, das Leiden beenden zu können.
Die Niedere oder Patrimonialgerichtsbarkeit dagegen umfasste vor allem Eigentums-, Familien-, Erb- und Gutsrechte, Gesindeordnung und z.T. auch Niederes Strafrecht, wie Beleidigungen oder Raufereien, das oft an Dorfrichter delegiert wurde. Folter durfte nicht angewendet, schwere Leibesstrafen und die Todesstrafe durften nicht verhängt werden.
Der Landesherr als Eigentümer des Landes (Grundbesitzes) war Lehnsherr. Dieser vergab einen Teil seines Eigentums, das Lehen, in den zumeist erblichen Besitz eines Berechtigten, der zum Lehnsmann wurde. Dieses System galt für die wirtschaftlichen Beziehungen und für die Rechtsbeziehungen zwischen Landesherren und Lehnsmännern.
Auch die Gerichtsbarkeit wurde auf die Lehnsmänner delegiert, diese wurden „Lehnrichter“. Bei erblichem Besitz wurde das Richteramt mit vererbt, der Nachkomme wurde Erblehnrichter. Der Begriff „Erbgerichtsbarkeit“ für die Niedere Gerichtsbarkeit entstand. Oft wurden dann die Gasthöfe in den Dörfern mit Dingstuhl auch „Erbgericht“ genannt (in der Oberlausitz oft „Kretscham“), weil in der Regel dort die Verhandlungen stattgefunden haben.
Die Besitzer einer Grundherrschaft (patrimonium) hatten zumeist die Niedere Gerichtsbarkeit inne, selten auch die Hohe Gerichtsbarkeit. Das galt auch für die Besitzer von Rittergütern, die landesherrliches Eigentum verwalteten und dafür Vorrechte genießen konnten, z.B. für die Rittergüter Liegau, Seifersdorf oder Kleinwolmsdorf. Ein Freigut hingegen war Eigentum und damit der Gerichtsbarkeit der dörflichen Grundherrschaft entzogen, das traf z.B. für das Freigut Lotzdorf zu. Für Freigüter galt die Obergerichtsbarkeit des Amtes.
Der Grundherr war als gleichzeitiger Gerichtsherr befugt, die Gerichtsbarkeit gegenüber seinen Untertanen selbst auszuüben. Bei fehlender Qualifikation oder, falls bestimmte staatliche Gesetze dies vorschrieben, musste er die Gerichtsbarkeit durch von ihm zu bestellende Rechtsgelehrte ausüben lassen.
Wegen der Trennung in Höhere und Niedere Gerichtsbarkeit konnten also Gerichtsrechte über ein und dasselbe Dorf in verschiedenen Händen liegen. Für die Dörfer im Radeberger Amtsgebiet lagen aber Ober- und Erbgerichtsbarkeit beim Amt, mit Ausnahme der früheren Dorfgemeinde Meißner Seite, auch Vollung genannt (südwestlich von Pulsnitz4), in der das Obergericht beim Amt Radeberg und das Erbgericht beim Grundherrn lag.5
Außer Kleinerkmannsdorf und Friedersdorf (Meißner Seite) besaßen die Radeberger Amtsdörfer einen sogenannten „Dingstuhl“ (Gerichtsstuhl). Hier konnten die Klagen direkt im Dorf vorgebracht und verhandelt werden, ohne den Amtssitz aufsuchen zu müssen. Hatte ein Dorf von alters her keinen festen Richter, wurden oft Bauern des Dorfes „reihum“ mit Gerichtsaufgaben verpflichtet. Ab dem Spätmittelalter ging die Rechtsprechung aber immer mehr an sachkundige, gelehrte Juristen über, die vom Amt bestellt wurden und in den Dörfern, die Dingstühle hatten, das Gericht hielten.
Für das „Gericht halten“ musste mit dem „dritten Pfennig“ bezahlt werden, der den auferlegten Bußgeldern entnommen wurde. Je höher die Bußgelder – desto höher die Gerichts-Einnahmen für das Amt. Zum Beispiel waren 1647 „10 Gulden 6 Groschen – Straffe Christoph Müller zu Leppersdorff und Christina, Matthes Gebauers Tochter zu Lichtenbergk wegen Schwängerung…“6 zu entrichten. Gut für das Amt, das damals jährlich etwa 35 Schock Groschen Gerichtseinnahmen erzielen konnte…
Als Ort in der Vogtei bzw. im späteren Amt hatte Radeberg bis 1534 nur die Niedere Gerichtsbarkeit (Erbgerichtsbarkeit) inne.
Das „Stetchin Radeberg“ hat am 13. März 1412 vom Landgrafen von Thüringen, Friedrich IV., dem Friedfertigen (1384 - 1440), Stadtrecht und Weichbild verliehen bekommen. Aber erst 1534 ist der Stadt von Herzog Georg von Sachsen, dem Bärtigen (1471-1539), das „peinliche Obergericht mit aller Gerechtigkeit…“ ausgestellt worden.7 Ein zweites Mal ist am 1. Mai 1620 dem „…Rath vom Churfürst Johann George I. die Ober und Erbgerichte concedirt“ (zugestanden) worden8, wofür die Stadt 1.500 Meißner Gulden zzgl. jährlichem Erbzins zu bezahlen hatte. Das bedeutet, dass der Stadt (aus heute nicht bekannten Gründen) zwischenzeitlich die Obergerichtsbarkeit entzogen worden ist und diese dann 1620 teuer zurückgekauft werden musste.
Weitere Recherchen in altem Kartenmaterial lassen den Zeitraum der Aberkennung eingrenzen. In der 1585 vom Kursächsischen Landesvermesser Matthias Oeder durchgeführten Landesvermessung (der sogenannte „Ur-Oeder“) ist im Karten-Blatt 9-10 an etwa der gleichen Stelle, an der 1665 Nienborg den Galgen eingezeichnet hatte, ein galgenähnliches Symbol mit dem Text „Gericht“ enthalten. Das zeigt, dass die Stadt 1585 einen Richtplatz hatte, also das Obergericht noch bis 1585 existierte.
Somit brauchte die Stadt auch ein eigenes Gefängnis, das sich im damals größten Stadttor, dem „Oberthor“, befand (nahe Kreuzung Oberstraße – Pulsnitzer Straße, in Richtung Lotzdorf). Dieses Tor war überbaut, darin befanden sich die „Frohnveste“ (das städtische Gefängnis) und das Stadtgericht. Das Gefängnis des Amtes im Schloss Klippenstein hieß „Amtsfrohnveste“. Das Stadtgericht war Ort der Untersuchung, Verurteilung und Haft. In den Zeiten, als die Stadt die Obergerichtsbarkeit besaß, wurde hier auch die Folter angewandt.
1823 ist das Obertor mit der städtischen Fronveste als letztes der ehemals 5 Radeberger Stadttore wegen Baufälligkeit abgerissen worden. Auf der Fläche des östlichen Flügels begann der Bau eines neuen Stadtgefängnisses „in gleicher Front der Häuser Oberstraße“. Im Erdgeschoss des Neubaus befanden sich die Wachstube für die Garnison und 3 Gefängniszellen mit Zugang zum kleinen Gefängnishof. Im Obergeschoss waren die Wohnung für den Gerichtsdiener und weitere 3 Gefängniszellen. Heute ist dieses Gebäude Wohn- und Geschäftshaus (Oberstraße 30).
Die im August 2019 dort aufgestellte Schautafel, gestaltet von teamwork-schoenfuss.de, veranschaulicht diese Thematik.
Das Amt Radeberg als Inhaber der Obergerichtsbarkeit besaß seinen eigenen Richtplatz, der als „Richtstätte am alten Schießhaus“ in die Chroniken einging. Dort ließ Bürgermeister Kleppisch bereits 1693 ein „neues“ Schießhaus bauen.
Die Analyse einer anderen „Ur-Oeder-Karte“ (Blatt 223 9) zeigt nordöstlich des Amtssitzes (Schloss), etwa am Standort dieses Schießhauses, ebenfalls um 1585 einen Galgen. Die Richtplätze des Amtes und der Stadt existierten also zeitlich parallel, der „Radeberger Galgenberg“ (der heutige Brauereiberg) hat nichts mit dem Richtplatz des Amtes Radeberg am Schießhaus zu tun. Eine gemeinsame Nutzung dieses amtseigenen Richtplatzes durch Amt und durch die Stadt fand nicht statt.
Bis 1692 hatte das Stadtgericht 3 Stadtrichter, Jahrzehnte später nur noch einen. Stadt- und Amtsrichter wurden von „Schöppen“ (Schöffen) aus der Bevölkerung unterstützt. Weder Stadt- noch Amtsgericht Radeberg hatten einen eigenen Scharfrichter bzw. Henker, dieser musste „mit seinen Knechten“ aus Dresden bestellt und vom Gericht mit einer jährlichen Pauschale von 2 Gulden sowie mit den Kosten „pro Fall“, mindestens aber 6 Groschen zuzüglich üppiger Beköstigung, bezahlt werden. Das hatte bereits 1493 Herzog Georg der Bärtige angeordnet.
Heute ist es nicht mehr verständlich, mit welcher grausamen Härte und Strenge im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein Strafen verhängt und vollzogen wurden. Verbrennen, Vierteilen oder Rädern waren Strafen, die besonders bei Tötungsverbrechen, schwerer Brandstiftung oder schwerem Raub verhängt wurden. Säcken oder lebendig begraben wurde besonders an Frauen wegen Kindsmord oder Ehebruch vollzogen. Diese Strafen sind ab dem 18. Jahrhundert aber immer weniger verhängt worden. Das Enthaupten mit dem Schwert oder das Hängen war dagegen „verhältnismäßig mild“. Es galt schon als Gnade, wenn eine der grausamen Strafen in die Hinrichtung durch das Schwert abgemildert wurde.
Zumeist wurde eine Hinrichtung mit dem Ziel der Abschreckung zu einem öffentlichen Ereignis deklariert, zu dem „aus erzieherischen Gründen“ auch Schulklassen geführt wurden, die dazu geistliche Lieder singen mussten. Auch in Radeberg war das so, wie zeitgenössische Berichte belegen.
Hier einige Beispiele aus der „Radeberger Chronik 1550 – 1839“ (in Originalschreibweise, z.T. gekürzt).
Belehrung und Abschreckung:
Bildseite 40 aus der
"Bambergische Peinliche Halsgerichtsordnung" (auch "Bambergensis" genannt), von 1507.
Der belehrende Vers lautet:
Wem trewe straff nit bringet frucht
Der kumpt dick in des meysters zucht
Des werck und zeug wirt hie anzeygt
Wol dem der sich zu tugent neygt
Es ließen sich noch viele Beispiele aufzählen. Natürlich ging es nicht immer nur um Fälle der Halsgerichtsbarkeit, sondern auch um Landstreicherei, das „Zigeunerunwesen“ oder um das Bettelwesen. Vertragsangelegenheiten, Finanzsachen, Grundstücksstreitigkeiten u.v.a. werden einen Großteil der richterlichen Arbeit beansprucht haben und auch viel Zeit, wie z.B. der 8 Jahre dauernde und vor dem Amtmann Langbein geführte Prozess des Radeberger Fleischhauer-Handwerks gegen den Gasthofs-Pächter Johann George Knobloch, den Großvater des Radeberger Weinhändlers Carl Alexander Knobloch.
Die folgende, im August 2019 an der Kreuzung Pulsnitzer Straße / Oberstraße, dem Standort des ehemaligen „Oberthores“ mit dem Stadtgericht und der Frohnveste, direkt neben der Schautafel "Stadtgefängnis Radeberg“ aufgestellte Schautafel „Amtsgericht Radeberg“ veranschaulicht die bis 1856 bestehende Trennung und Selbständigkeit von „Stadt- und Amtsgerichtsbarkeit“ in Radeberg.
Das sächsische Gerichtsverfassungsgesetz vom 11. August 1855 hob die Patrimonialgerichtsbarkeit im Königreich Sachsen auf. Dieses Gesetz hatte auch die Auflösung des Stadtgerichtes zur Folge. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1856 wurde das neue „Gerichtsamt Radeberg“ gebildet, das nun auch die Stadtgerichtsbarkeit innehatte. Mit der neuerlichen Gerichtsreform 1879/1880 wurde es zum „Königlichen Amtsgericht Radeberg“ mit einer beachtenswerten personellen Besetzung und regelmäßigen Geschäftszeiten umgebildet. Damit wurde auch die Einrichtung weiterer Gefängniszellen (in den ehemaligen Pferdeställen der Vorburg) und eines ummauerten Gefängnishofes am Nordgiebel der Vorburg notwendig (bereits seit dem Ausbau der Vorburg waren darin Gefängniszellen).
Betritt man heute diesen ehemaligen „Gefängnistrakt“ mit dem Wissen, dass dieser noch 1952 voll als Amtsgefängnis genutzt wurde, ist es kaum mehr vorstellbar, unter welchen mittelalterlichen Bedingungen die Häftlinge hier leben mussten
Beamte und Personal des 1880 aus dem „Gerichtsamt Radeberg“ hervorgegangenen „Königlichen Amtsgerichtes“ vor dem Hauptportal des Schlosses Klippenstein, um 1920.
Erst mit der Verwaltungsreform in der DDR 1952 wurde das Amtsgericht einschließlich Gefängnis aufgelöst.
Klaus Schönfuß
Dieser Artikel wurde im August 2019 erweitert.
Quellen:
1 Samuel Nienborg: Der Stadt Radeberg Weichbild. Federzeichnung 1665.
Deutsche Fotothek Dresden, Objekt 90010610
2, 3, 5, 6 Dr. André Thieme: Burg und Amt zu Radeberg. In: Radeberger Blätter zur
Stadtgeschichte. Heft 01. Hrsg. Stadt Radeberg, Museum Schloss Klippenstein 2004
4 Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen. Hrsg. E. Eichler und H. Walther.
Akademie Verlag GmbH, Berlin 2001. S. 541
7 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden; Akte 9002
8 Thieme/Knobloch: Radeberger Chronik 1550 – 1839. Archiv Schloss Klippenstein
Radeberg. Archiv-Nr. 00003476. S. 204
9 SLUB Dresden. http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90011915
10 Theodor Arldt: Radeberg. Ein Heimatbuch. S. 35. Unveröffentlichtes Manuskript
11 Thieme/Knobloch: Radeberger Chronik 1550 – 1839. Archiv Schloss Klippenstein
Radeberg. Archiv-Nr. 00003476
12 Kaiser Karls des Fünften Peinliche Gerichtsordnung: nebst der bamberger
Halsgerichtsordnung, nach den Ausgaben von 1533 und 1507… Jena 1835.
Verlag: Schmid
13 siehe auch: Klaus Schönfuß Die Familie Knobloch. In: Radeberger Blätter zur
Stadtgeschichte. Heft 14. 2016. Hrsg. Große Kreisstadt Radeberg
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