Radeberg 800 Jahre Ersterwähnung

Stadtgeschichte Radeberg - Überlieferungen etwas kritischer betrachtet



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Hier eine Leseprobe:

Eigentlich neigen wir doch alle in irgendeiner Form dazu: Sobald ein Fest, ein Jubiläum ansteht, beginnt ein tiefgründigeres Nachdenken über dieses Ereignis, über den Anlass und über das altbekannte „Es war einmal…“. So ist es auch bei Stadtjubiläen. Was da einmal war, nicht war oder vielleicht nicht wahr gewesen sein könnte, wird dann mehr oder minder tiefgreifend vorgestellt. Auch in diesem Jahr 2019, anlässlich der 800-Jahrfeier der angeblich ersten Erwähnung des Namens „Radebergk“, ist das wieder der Fall – die Geschichtsbewussten kommen in Aktion, um zu recherchieren, Neues zu finden, aber hoffentlich nicht zu erfinden, und Althergebrachtes auf den Prüfstand zu stellen. Seit Jahrhunderten wird über die Herkunft des Namens Radeberg, über das Wappenbild und natürlich über das tatsächliche Alter der Stadt gegrübelt und spekuliert. Wer gab der Gegend und unserer Stadt den Namen Radbergk, Radibergk, Radeberch, Radeberg, in dem eindeutig das Grundwort „-berg“ einen germanischen Ursprung vermuten lässt? Demgegenüber das „Rade-“ durchaus Wortverwandtschaft und wendischen Ursprung haben könnte, wie in „Radegast“ als wendische Gottheit der Sonne und des Krieges, dem „Radewitz“ als Keulenberg und auch „Radibor“ für „freudige hüglige Gegend“. Selbst der Röderfluss wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein als „Räder“ bezeichnet. Eines ist jedoch ziemlich sicher, dass die Entwicklung der Stadt Radeberg, von den Anfängen einer einstigen kleinen Marktsiedlung in der Nähe der Radeberger Schutzburg mit dem heutigen Namen Schloss Klippenstein um das 12. Jahrhundert herum, bis hin zu der Entwicklung einer bedeutenden Industriestadt, auf das Engste mit der ununterbrochenen Herrschaft der Wettiner vom Jahr 1089 bis 1918 verbunden war. Die Wettiner machten es möglich, durch planvolle, intensive Landeserschließung östlich der Elbe, in diesen grenznahen östlichen Gebieten erste Handels- und Austauschmittelpunkte entstehen zu lassen, die auch zu unserer Stadtgründung und der weiteren bedeutenden Stadtentwicklung führten.

 

Wie alt ist Radeberg wirklich? 

 

Das ist dabei die Frage aller Fragen. Sicherlich auch in Zukunft unlösbar, denn mehrere große Stadtbrände haben vorhandene Niederschriften und Urkunden vernichtet, die Auskunft geben könnten. Alle überlieferten Aussagen über die frühe Entstehungszeit der Stadt Radeberg können nur im Zusammenhang mit der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung gesehen und auch vermutet werden. Über den genauen Zeitpunkt wissen wir nur, dass wir nichts wissen.

Als Anlass für die diesjährige 800-Jahrfeier der Ersterwähnung des Namens Radeberg wird ein Eintrag in „Schultes Directorium Diplomaticum / II. Nr. 193“ angesehen, der von einem Vorgang einer Kapellenstiftung unter Erwähnung eines Zeugen „Werner von Radebergk“ berichtet. Das erste Mal, dass man den Namen „Radebergk“ fand. Jedoch liegt für die Richtigkeit und den Wahrheitsgehalt keine Urkunde vor. Ludwig August Schultes (1771-1826), ein Amtsgehilfe (Adjunkt) in Altenburg, hatte 1825 eine Sammlung chronologisch geordneter Auszüge über tatsächlich (oder angebliche?) „vorhandene Urkunden zur Geschichte Obersachsens“ herausgegeben. Hier muss bereits ein erstes Fragezeichen eingefügt werden, da außer in seiner Niederschrift des Vorganges, nirgends eine „vorhandene Urkunde“ zur Kapellenstiftung und dem Zeugen „Werner von Radebergk“ belegt werden kann und konnte. Das entsprechende Datum dazu hat Schultes, nach eigenen Aussagen, selbst willkürlich für das Jahr 1219 festgelegt und damit eine durchaus fragwürdige These in den Raum gestellt, die vor allem bis heute die Gemüter beschäftigt.

Bereits als Schultes um 1825 sein Werk veröffentlichte, war dieser urkundliche Eintrag nirgends nachweisbar und wurde auch in keinerlei anderen bedeutenden Chroniken des 19. Jahrhunderts erwähnt, wie z.B. bei Machatschek „Geschichte der Bischöfe des Hochstiftes Meißen / Dresden“ (1884) oder im „Codex Diplomaticus Saxoniae“ (1864). Auf Seite 539 seines Werkes beschreibt Schultes, dass

„…zwischen den Jahren 1219 und 1229, ein Adlicher Alberich eine Capelle zu dem Dorf Sweta (Schweta im Amt Meißen) bezirkt und auch für umliegende Dörfer diese Capelle zur Pfarrkirche erhoben wird.“

 

 Weiter wird auf Seite 540 berichtet:

Er, der Bischof Bruno zu Meißen, habe die Stiftung genehmigt, auch bereits in Gegenwart mehrerer angesehener Personen in dem Jahre 1219 bestätiget; so weihete letzterer die Capelle ein. Zeugen sind gewesen Sifried von Pegau, Nicolaus von Bautzen, Heinrich von Wurzen, Conrad von Oschatz, Werner von Radebergk u.a.

Der Original-Eintrag aus Schultes Directorium Diplomaticum / II. Nr. 193, Seiten 539/540. Faksimile-Montage der für Radeberg relevanten Text-Stellen mit der Fußnote, dass Schulte das Datum willkürlich festgelegt hat (Bischof Bruno verstarb 1228).
Der Original-Eintrag aus Schultes Directorium Diplomaticum / II. Nr. 193, Seiten 539/540. Faksimile-Montage der für Radeberg relevanten Text-Stellen mit der Fußnote, dass Schulte das Datum willkürlich festgelegt hat (Bischof Bruno verstarb 1228).

 

Und genau an dieser Stelle setzt die historische Ungenauigkeit ein, denn Schultes ergänzt ehrlicherweise seine Ausführungen auf Seite 540 in einer Fußnote und bekennt:

 

Das Jahr der Ausstellung enthält das Dokument nicht und deshalb habe ich solches innerhalb des Jahres 1219 und bis dahin, wo Bruno gestorben ist, gestellt (siehe Faksimile).

 

Das bedeutet eine Zeitspanne von 10 Jahren, und er gibt zu, dass keine Urkunde mit Datum der angeblichen Kapellenweihe vorhanden ist und es sich bei diesem ominösen Eintrag um eine von ihm verfasste Niederschrift ohne Tag und Jahr handelt. Schultes hat die Zeitangabe 1219 einfach so festgelegt, schlichtweg erfunden, unter Berücksichtigung der Lebenszeit von Bischof Bruno II. von Porstendorf (Amtszeit 1209-1228). Dieser Eintrag Schultes beweist wieder, dass mit solchen Ungenauigkeiten durchaus Geschichtsverfälschungen beginnen können, denn alle Nachfolgenden nehmen es als Wahrheit und bauen ihre Arbeiten darauf auf.

 

 

 

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