Nachfolgender Beitrag zu Leben und Wirken von Johannes Gelbke ist in leicht abgewandelter Form und mit weniger Bildern im Oktober 2014 in Heft 12 der "Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte" veröffentlicht worden.
Der Beitrag ist ebenfalls reduziert veröffentlicht in:
"die Radeberger"; Unabhängige Heimatzeitung mit Amtsnachrichten,
Fortsetzungsreihe in Nr. 42/2014, 44/2014, 45/2014 und 49/2014
Klaus Schönfuß
„Unter den vielen tüchtigen Musikern, welche die Stadt
Buffalo beherbergt,
ist Herr Johannes Gelbke sicherlich der allertüchtigsten einer.“ (1)
So beginnt in dem Buch „Die Geschichte der Deutschen in Buffalo und Erie County, N.Y., mit Biografien und Illustrationen hervorragender Deutsch-Amerikaner, welche zur Entwickelung der Stadt Buffalo beigetragen haben“ (1) der Beitrag über Johannes Gelbke, einen der berühmten Söhne Radebergs. Darin sind einige Daten und Fakten über ihn und sein Leben bis etwa 1896 enthalten, auf die fast alle der wenigen, meist sehr kurzen späteren Beiträge aufbauen. Es ist also an der Zeit, sich ausführlicher mit dem Leben und Schaffen des heute fast vergessenen Sängers und Komponisten Johannes Gelbke zu beschäftigen, der den Ruf Radebergs – damals auch eine Stadt des aktiven und kreativen Musik-Schaffens - in die USA getragen hat.
Die meisten Radeberger kennen den „Gelbke-Hain“, und einige wissen vielleicht, dass sich dort unterhalb des Hauptweges an einer kleinen Mauer, nur vom unteren Weg aus sichtbar, eine Gedenktafel befindet. Weniger bekannt ist sicherlich, dass auch an seinem Geburtshaus auf der Stolpener Straße 7 eine Gedenktafel angebracht worden ist. Aber Musikfreunde und Sänger kennen das von ihm komponierte Lied „Horch, die alten Eichen rauschen“, die Vertonung des Gedichtes „Heimkehr“ von Emil Schimpke (1846–1909), ursprünglich für die damals übliche Hausmusik „für eine Singstimme mit Piano“ und für Männerquartett komponiert und erst später für Männerchor. Es gibt wohl kaum einen deutschen Männerchor, der dieses Lied nicht in seinem Repertoire hatte oder noch hat, aber für die meisten ist das auch das einzige bekannte Werk von Gelbke.
Die Entstehung des Werkes ist von der Legende umrankt, Gelbke habe lange nach seiner Auswanderung 1882 nach Buffalo eine so tiefe Sehnsucht nach seiner alten Heimat und nach seinen früheren Freunden gehabt, die ihn zu einer Besuchs-Reise nach Deutschland veranlasst haben soll. Natürlich war bei dieser (vermeintlichen) Heimkehr „...alles anders worden, seit ich aus der Heimat schied.“
Schimpke folgte damit, wie in vielen seiner Gedichte (2), dem „Nerv der Zeit“ und traf das Gefühl der Heimatverbundenheit, die Sehnsucht nach einer heilen Welt im noch jungen Deutschen Reich, den Wunsch nach Wiederbegegnung mit alten Freunden – und lässt das Gedicht mit der beklemmenden Erkenntnis enden, dass nichts mehr so war wie damals. Johannes Gelbke habe dann während dieses Besuches, eben der „Heimkehr“, diese Aussagen musikalisch und emotional sehr anspruchsvoll und sehr einfühlsam zu dieser äußerst erfolgreichen Komposition umgesetzt.
Soviel zur Legende der Entstehung dieses Werkes.
Wie aber war es wirklich? Um das zu ergründen, muss man Leben und Schaffen Gelbkes kennenlernen.
Am 19. Juli 1846 wird der Familie Gelbke das 4. Kind Johannes August Woldemar geboren. Gelbkes bewohnen das Haus Kat.-Nr. 182 auf der Stolpener Straße (1879 in Nr. 4 und 1905 in Nr. 7 umbenannt) in Radeberg. Die älteren Geschwister von Johannes sind Anna Louise *1839, Hermann Gustav Moritz *1840 und Ottilie Luise *1843, 1851 wird Selma Maria Adolphine geboren. Vater Ernst Ludwig Gelbke (*1812 Radeberg, +unbek.) war „Roßarzt und Companieschmied in der hiesigen Königl. Sächs. Brigade Reiter Artillerie", seine Schmiede befand sich in dem früheren Gässchen vom Obertor zum Alten Friedhof (heute Kreuzung Oberstraße zum Gemeindehaus). Mutter Auguste Wilhelmine geb. Opitz (1816 - 1866) stammte aus Lausigk. Großvater Jacob Christoph Gelbke war Angehöriger des „Königl. Sächs. Guarde du Corps" Dresden und heiratete 1811 in die wohlhabende Radeberger Familie König. Familie Gelbke war wirtschaftlich in der Lage, ihrem Sohn Johannes eine höhere Schulbildung zu ermöglichen. Schon frühzeitig zeigte er eine außergewöhnliche Liebe zur Musik, er erhielt Unterricht auf der Violine und dem Piano.
Auf Empfehlung seiner Lehrer wurde er nach dem Besuch der Radeberger Volksschule am „Gymnasium zum heiligen Kreuz Dresden“ (Kreuzschule) als Alumne (Internats-Schüler) und aufgrund seiner vorzüglichen Sopran-Stimme in den Alumnenchor (Kreuzchor) aufgenommen. Der damalige Kantor des Kreuzchores und Komponist Julius Otto erkannte schnell die musikalischen Fähigkeiten des Jungen, er führte ihn in die kirchliche Tonkunst ein und erteilte ihm Unterricht in musikalischer Theorie. Bereits hier komponierte der junge Gelbke Lieder und Kirchenchöre.
Am 30. April 1866, dem Vorabend der Einweihung des Neubaus der Kreuzschule am Dresdner Georgplatz, wird im Saale des berühmten Lincke’schen Bades die „dramatische Kleinigkeit: Dornröschen“ uraufgeführt, ein von den Kreuzschülern Hermann Unbescheid (späterer Studienrat und Prof. Dr.) geschriebenes und von Johannes Gelbke vertontes Singspiel. Am Abend des Weihetages, dem 1.Mai 1866, ist im Beisein des Königs und der sächsischen Prinzen die Aufführung wiederholt worden (3). Dieser Erfolg dürfte für den Schüler Johannes ein Motiv gewesen sein, sich nach Ablegung des Abiturs 1868 gänzlich der Musik zu widmen.
Dazu geht Johannes Gelbke 1868 nach Leipzig und besucht das „Königliche Konservatorium der Musik“ in den Fächern Komposition, Theorie und Klavier. Sein Examen legt er bei Ignaz Moscheles ab, einem der hervorragendsten Klaviervirtuosen Europas und Freund von Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy. Lehrer in Theorie und Komposition waren u.a. Thomaskantor Prof. Friedrich Richter und Dr. Oscar Paul. An der Universität Leipzig war Gelbke Gasthörer in Musikgeschichte und Akustik. Mit dieser soliden Ausbildung startet Gelbke in seine Erwerbstätigkeit. Er wird Musiklehrer in Leipzig und wirkt als Gesangsvereins-Dirigent. Ab 1869 leitet er auch mehrere Gesangsvereine in Wurzen.
In den Leipziger Polizei-Meldebüchern ist Johannes Gelbke unter dem Datum 18.10.1872 als Musiklehrer mit dem Status „Schutzverwandter“ eingetragen (4). Das bedeutet, er war legitimierter Einwohner ohne Bürgerrechte, genoss aber nach Ableistung eines Eides einen gewissen Schutz durch das Gemeinwesen.
Es ist bemerkenswert widersprüchlich, dass in der einschlägigen Musik-Literatur und den heutigen Interpretationen einerseits fast nur sein Lied „Horch, die alten Eichen rauschen“ Erwähnung findet, andererseits aber stets vom „Komponisten Johannes Gelbke“ die Rede ist. Verdient nicht die Bezeichnung „Komponist“ nur jemand, der ein reichhaltiges musikalisches Werke-Spektrum aufweisen kann? Was hat Gelbke also wirklich geschaffen, wo sind seine Werke verblieben?
Mit dem „Verzeichniss des Musikalien-Verlags von Fr. Kistner 1894“ (5) liegt eine Auflistung der bis dahin von Fr. Kistner verlegten Werke Gelbkes vor, sie reichen von von geistlicher Musik bis hin zum „Klosterschänkenmarsch Op. 11“.
Dieses Werk-Verzeichnis enthält unter anderm:
Auf hohem Berg Op. 6 Nr. 1 | Texte von Emil Schimpke | |
Scheidelied Op. 6 Nr. 2 | " | |
Elfenreigen Op. 13 | " | |
Sternennacht Op. 15 | " | |
Heimkehr Op. 16 Nr. 1 | " | |
Morgenlied Op. 20 | " | |
Nachtgedanken, ohne Nr | " | |
Gruss an die Nacht Op. 7 | Text von H. Waldow | |
Heldenfeier Op. 16 Nr. 1 | Text von Julius Sturm | |
Ade Op. 18 Nr. 1 | Text von P. Schönfeld | |
Fahnenlied Op. 18 Nr. 2 |
Text von Scholl |
Weitere Werkverzeichnisse konnten nicht gefunden werden.
Noten-Mappe "Heimkehr" von 1881/1882; Quelle: SLUB Dresden
Die Leipziger Akteneinträge zu Johannes Gelbke enden mit dem lapidaren Vermerk: „...den 22.11.1882 nach Amerika abgemeldet“. Das ist zugleich der letzte aufgefundene „amtliche“ Vermerk im deutschen Raum. Was bewog ihn, seine Heimat zu verlassen?
Gelbke war nicht nur als Komponist bekannt, zugleich hatte er auch als Dirigent großer Chöre und als Musiklehrer einen sehr guten Ruf, der irgendwie nach Buffalo gelangt sein muss. Im Jahr 1882 erreicht ihn von dort ein Angebot, die Dirigentenstelle des renommierten Gesangsvereins „Orpheus“ zu übernehmen.
Viele Städte in den USA, besonders in den Ost-Staaten, entwickelten sich bereits im 19. Jahrhundert rasend schnell zu modernsten Industrie-Metropolen, so auch Buffalo. Die Wechselwirkung zwischen deutscher Auswanderungspolitik als Folge wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen, besonders nach der Revolution 1848 und der Entwicklung der Arbeiterschaft in der Gründerzeit einerseits, und andererseits dem „Sog nach Amerika“, wo sich die Auswanderer reale Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Lage erhofften, führte zum Zustrom Hunderttausender Deutscher. Natürlich nahmen die Auswanderer das Wesentliche ihrer deutsche Kultur mit, auch das deutsche Liedgut, das in der neuen Heimat in bewährter deutscher Traditionen weiterhin intensiv gepflegt wurde und die solidarische Bindung zwischen den deutschen Einwanderern ausbaute und verstärkte.
Gelbke nimmt also dieses Angebot an, reist nach Buffalo und beginnt seine Dirigenten-Tätigkeit am 14. Dezember 1882. Die Heimstatt des „Orpheus“, die neue Music Hall Buffalo, brannte im März 1885 ab. Gelbke übergab im Nov. 1885 die Leitung des Chores an Carl Adam. Mehrere Jahre war Gelbke Dirigent des „Buffalo Sängerbundes“, dirigierte auch den aus 12 regionalen Gesangsvereinen gebildeten „Central Sängerbund“, den Mendelssohn Club, den Beethoven Club und viele andere Chöre bzw. Gesangsvereine. Von 1884 – 1894 ist er Dirigent des „Niagara Falls Orpheus “. Beim „23th North American Music Festival“ 1883 in Buffalo, an dem 72 Chöre mit 2.100 Sängern teilgenommen haben, dirigierte Gelbke mit großem Erfolg den Chor des Sängerbundes mit 600 Sängern.
Ähnlich den deutschen Chor-Strukturen und -Verbänden existiert auch in Buffalo eine „Liedertafel“, deren Mitglied er ist und für die er arbeitet. Existentiell notwendig wird für Gelbke eine feste Tätigkeit als Musiklehrer, die sich bis zu seinem Tode nachweisen lässt. Weiter übernimmt er die Direktion des berühmten und hoch angesehenen Musikvereins und Chores „Harugari Frohsinn“ und leitet die Gesangs-Section des Buffalo-Turnvereins. Gelbke hat also neben der kompositorischen Arbeit ein großes Pensum an Aufgaben.
„Dass Herr Gelbke hier wie draussen sich großer Popularität erfreut, bezeugen die vielen Ehrendiplome, die er empfangen hat. Seine zahlreichen Compositionen zeichnen sich alle durch Eigenart, schöne Melodie und Innigkeit aus und erfreuen sich sowohl hier wie in Deutschland einer wohlverdienten Anerkennung. Das wohl am meisten gesungene Lied Gelbke’s ist eine seiner älteren Compositionen mit den Anfangsworten: „Horch, die alten Eichen rauschen.“ (1) S. 66.
Dieses Lied berührt und trifft natürlich voll die Sehnsüchte der deutschen Auswanderer in Amerika. Eine bessere Wertschätzung seiner Arbeit in den USA gibt es nicht.
Die Deutschstämmigen in den amerikanischen Städten benötigten nicht nur wegen der Einwanderungsgesetze eine Betreuung in juristischen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten. Schnell bildeten sich dafür „Deutsche Gesellschaften“, die diese und auch andere Aufgaben mit überwiegend deutschen Fachleuten – ebenfalls Auswanderer - übernahmen. Auch der Jurist Carl Hütter (*3.7.1816 in Schrozberg / Württemberg, +1888 Buffalo) sieht dort neue Chancen und wandert 1848 mit seiner Familie von Württemberg nach den USA aus. Ab 1850 lebte er als „Lawyer“ (Anwalt) mit seiner Frau Margarethe geb. Siegler (*1821 Württemberg, +1887 Buffalo) und den 3 im Württembergischen geborenen Kindern Pauline, Caroline und Karl in Buffalo. Das 4. Kind, Tochter Mathilde, wird am 1.Feb. 1856 und das 5. Kind, Sohn Albert, 1857 in Buffalo geboren. Mathilde ist mit 19 Jahren als „Milliner“ (Modistin /Hutmacherin) im Haushalt ihrer Eltern registriert und als Anwaltstochter sicherlich eine recht gute Partie. Das dürfte später auch der „Teacher music (Musiklehrer) John Gelbke“ bemerkt haben. Beide heiraten am 27. Dez. 1887. Die Ehe ist kinderlos geblieben, denn im „Twelfth Census of the United States“ (6) (Volkszählung vom 11. Juni 1900) sind im Haushalt der Gelbkes keine Kinder registriert (Im Nachruf der Zeitung "Buffalo Freie Presse" v. 2.März 1903 wird das bestätigt, siehe nachfolgendes Faksimile). Das Ehepaar besitzt ein eigenes Haus in Buffalo City, Road 515 Ellicott, das noch im Jahr 1900 mit einer Hypothek belastet ist (6).
Am 1. März 1903 verstirbt Johannes Gelbke in Buffalo. In keiner der zugänglichen bzw. digitalisierten deutschen oder amerikanischen Passagierlisten, Ein- oder Ausreiselisten oder Pass- bzw. Meldelisten konnten Hinweise gefunden werden, dass Johannes Gelbke jemals eine Reise zurück nach Deutschland angetreten hat oder gar seine Heimatstadt Radeberg noch einmal besucht hätte. Seine Witwe Mathilde lebte noch 1913 in ihrem Haus. Dann verliert sich jegliche Spur, über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt...
Ein umfangreicher Nachruf mit verdienter Würdigung seiner Leistungen ist bereits am 2. März in der deutschsprachigen Zeitung "Buffalo Freie Presse" (Nr. 222 Jahrg. 18 vom Montag, d. 2.März 1903) veröffentlicht worden.
Zum Lesen bitte obiges Faksimile anklicken.
Label einer der ersten Schallplattenproduktionen
von Gelbkes „Heimkehr“,
um 1910;
Aufnahme mit dem berühmten Nebe-Quartett
(Schelllack-Platte im Besitz des Verfassers)
Aufnahme mit dem Nebe-Quartett anhören
www.dismarc-audio.com
Aber Gelbkes ausgezeichneter Ruf als Komponist und Dirigent ist nach Deutschland zurückgekehrt. Seine hohe Wertschätzung und Würdigung entspringt auch dem damaligen Zeitgeist, denn das Musikleben und –schaffen aller Genres, von der Opern- und Orchestermusik über die geistliche bis in die regionale Chor- und Hausmusik hinein, war vom 19. bis weit in das 20. Jahrhundert auf sehr hohem Niveau. Besonders die sängerische Betätigung in Chören oder Gesangsvereinen war in allen Schichten der Bevölkerung beliebt, wurde begeistert wahrgenommen und war –bei tieferer Betrachtung- in allen Ebenen überraschend gut durchorganisiert. Warum wohl? Motiviert durch die Freude am Singen in sozial gut strukturierten Gemeinschaften, durch „Sängerische Wettstreite“ und durch das Erfolgs-Erleben nach den Aufführungen setzte diese kreative Freizeitbeschäftigung auch eine musikalische Ausbildung voraus, füllte einen großen Anteil der Freizeit aus und verschaffte den Sängern, die ja zum großen Teil aus der Arbeiterschaft der Ballungsgebiete stammten, auch eine gewisse Befriedigung durch gemeinsames Erleben - und auch Feiern. Somit wirkte sich die Sänger-Bewegung gewissermaßen förderlich auf den „sozialen Frieden“ in den Städten aus.
So natürlich auch in Gelbkes Heimatstadt Radeberg. Mit dem industriellen Aufblühen Radebergs in der Gründerzeit blühte auch erstaunlich schnell und vielseitig das Vereinsleben (siehe dazu auch (7)) auf. Radeberg war mit seinen Orchestern und besonders seinen Männergesangsvereinen (MGV) eine Hochburg der Musik. Fast jeder größere Betrieb hatte seinen eigenen MGV, oft mit einem eigenen Männer-Gesangs-Quartett. Es gab z.B. 1927 26 Chöre mit 1.200 Sängern (7).
Die Strukturierung der ungeheuren Vielzahl von Gesangsvereinen, Chören und Liedertafeln begann 1862 in Coburg mit der Gründung des Dachverbandes „Deutsche Sängerbund“. 1864 bildete sich der „Sächsische Elbgau-Sängerbund“ (E.S.B.). In zyklischen Abständen wurden in sächsischen Städten die Elbgau-Sängerfeste veranstaltet, das 5. Fest mit 1.314 Sängern fand im Juli 1880 in Radeberg unter der Leitung des Druckereibesitzers Gustav Adolf Willner (u.a. Herausgeber des „Echo“) statt, eine große Herausforderung für unsere Stadt. 1889 tritt der MGV Radeberg mit 30 Sängern unter der Leitung Willners dem E.S.B. bei. Schließlich wird im Januar 1890 die „Radeberger Gruppe“ im E.S.B. gegründet, bestehend aus dem GV Carl Barth, dem GV Eschebach, dem MGV Radeberg und dem MGV Sächs. Glasfabrik. Ob Willner der Initiator war, kann vermutet werden, denn dieser war ab 1889 auch Vertrauensmann im Bundesausschuss des E.S.B.
Radeberg erhielt die Ehre, vom 16.-18. Juli 1927 das 18. Sächsische Elbgau-Sängerbundes-Fest mit 4.500 (!) Sängern auszurichten. Eine hohe Anerkennung Radebergs als Musikstadt und bewundernswert, wie diese Aufgabe bewältigt worden ist. Natürlich waren Gelbkes Lieder fester Bestandteil der Darbietungen.
Medaille zum 18. Elbgau-Sängerbundes-Fest
vom 16. - 18. Juli 1927 in Radeberg;
Porträt im Ährenkranz: Adolf Leiberg, Dresden
1. Vors. des E.S.B.
Der nächste Höhepunkt war die 40-Jahr-Feier der „Gruppe Radeberg“ im E.S.B. vom 7.-8.Sept. 1930. Aus der Vielzahl der Interpreten sind besonders die „...wackeren Vier des MGV Sächsische Glasfabrik mit ihren prächtig abgetönten Quartetten...“(8) gelobt worden, gemeint war das Männer-Quartett des MGV, eines der besten der Region. Gelbkes „Heimkehr“ war eins ihrer beliebtesten Stücke.
Die Stadt Radeberg erwies Johannes Gelbke bei diesem Jubiläum eine große öffentliche und bleibende Ehrung in Form der Weihe einer von der „Gruppe Radeberg“ des E.S.B. gestifteten bronzenen Gedächtnistafel an seinem Geburtshaus Stolpener Straße Nr. 7 in Radeberg. Dankenwert ist, dass diese Tafel nach der liebevollen Restaurierung des Hauses vor einigen Jahren ihren Ehrenplatz behalten hat. Der damalige Festredner, Lehrer Hans Köhler, würdigt verdienterweise die Leistungen Gelbkes. Aber Köhler baut nicht nur auf der eingangs dieses Beitrages geschilderten Legende eines späteren Besuches Gelbkes in seiner Heimat auf, sondern festigt diese Legende unberechtigterweise, indem er Gelbkes dabei erlebte Enttäuschungen als Anlass der Komposition definiert: „...Aus diesem, sein Inneres ergreifenden Erlebnis heraus, schuf er die musikalische Form jenes Gedichtes v. Schimpke: ‚Heimkehr‘. ...Joh. Gelbke hat sich mit diesem Lied in unseren Herzen ein unvergängliches Denkmal geschaffen und wir sind stolz, daß er ein Radeberger Kind ist.... Ob wir damit einen Toten oder Lebenden ehren, wissen wir nicht mit Bestimmtheit, denn man hat nichts mehr von ihm gehört...“. (8)
Die Einweihung der Gedenktafel für Johannes Gelbke
an seinem Geburtshaus Stolpener Straße 7 in Radeberg
anlässlich der 40-Jahr-Feier der „Gruppe Radeberg“ im E.S.B. (Elbgau-Sänger-Bund)
vom 7.-8. Sept. 1930.
Man hatte wirklich nichts mehr von ihm gehört, und das seit seiner Ausreise 1882. Es waren keinerlei Spuren auffindbar, dass er jemals wieder nach Radeberg gekommen ist. Seine Eltern sind 1878 mit der Verlegung der Radeberger Garnison nach Geithain mit dorthin verzogen, in den historischen Adressbüchern Radebergs von 1888 bis 1937 taucht der Name „Gelbke“ nicht mehr auf.
Wann und wie ist sein berühmtestes, von vielen Gerüchten umranktes Lied nun aber wirklich entstanden? Hier die Antwort: Der Verfasser hat im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig unter der Inv.-Nr. A/3803/2009 das Original eines von Gelbke mit Bleistift geschriebenen Notenmanuskriptes mit dem vertonten 1. Vers des Schimpke-Gedichtes gefunden.
Dieses Blatt (siehe Ausschnitt) trägt eine handgeschriebene Widmung mit dem Datum „Nov. 1882“. Das heißt sachlich kurz: Gelbke hat sein „Horch, die alten Eichen rauschen“ bereits vor seiner Abreise in die USA komponiert, ohne Heimweh, ohne Enttäuschungen, die wunderschöne Entstehungs-Geschichte ist also wirklich nur eine Legende.
Unabhängig von dieser Ernüchterung ist Johannes Gelbke für sein umfangreiches Lebenswerk hohe Anerkennung zu zollen. Neben einigen Artikeln in Zeitungen und im „Radeberger Kulturleben“ ist das zuletzt anlässlich seines 100. Geburtstages am 19. Juli 1946 in Form der Umbenennung des 1883 zwischen Dresdner Straße und Südstraße (Dr.-Albert-Dietze-Str.) angelegten Promenadenweges in „Gelbke-Hain“ und der Einweihung der dort befindlichen anfangs erwähnten Gedenktafel erfolgt. Die größte Ehrung für ihn ist aber, dass sein berühmtes Lied als eines der ersten von der „Deutschen Grammophon“ um 1910 als Schallplatte produziert worden ist, auch heute noch fleißig gesungen wird und auch auf neuen CD’s verlegt ist.
Quellen:
(1)
The History of the Germans in Buffalo and Erie County, N.Y.,
Verlag und Druck von Reinecke und
Zesch, Buffalo N.Y., U.S.A. 1898 (online)
(2)
Gedichte von Emil Schimpke, Leipzig Dieterichsche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher 1909
(3)
Programm des Gymnasium zum heiligen Kreuz in Dresden;
Druck von E. Blochmann und Sohn 1867
(4) Polizeimeldebücher Leipzig 1855-1875; PoA Nr. 81, Bl. 109b; Stadtarchiv Leipzig
(5) Verzeichniss des Musikalien-Verlags von Fr. Kistner in Leipzig 1894 Abtheilung I;
SLUB Dresden
(6) Twelfth Census of the United States, June 11th 1900, Buffalo City N.Y., Sheet 8, P. 133
(7) B. Greve: „Die hohe Zeit des Vereinswesens“,
in: Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte, Heft 10 S. 163 ff
(8) Radeberger Zeitung und Tageblatt, 8. September 1930
Johannes Gelbke Druckversion (PDF)
Fassung wie in Heft 12 der "Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte" v. Okt. 2014,
weniger Bilder
Johannes Gelbke weltweite Verbreitung (PDF)
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