Überarbeitg. 16.4.20
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Beachten Sie bitte den Teil 1 des Themas
Dresden wurde zur Wiege der Naturkosmetik
Radeberg zur zweiten Heimat des Unternehmens
Charlotte Meentzen und Gertrud
Seltmann-Meentzen
Zwei sächsische Powerfrauen und Unternehmerinnen aus Dresden hatten eine Vision - ihr erfolgreiches Vermächtnis wird seit 2002 in Radeberg weitergeführt
Kurzfassung
Von Renate Schönfuß-Krause
Gertrud Seltmann-Meentzen (* 14. Juni 1901 in Leipzig; † 14. Januar 1985 in Betzigau) war eine deutsche Pionierin und Unternehmerin auf dem Gebiet der Kosmetika-Entwicklung, -Herstellung und des -Vertriebes sowie, gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte Meentzen, eine der Wegbereiterinnen für den modernen Bio- und Naturkosmetikmarkt in Europa. Sie hat das von ihrer Schwester Charlotte Meentzen entwickelte Schulungssystem für Kosmetikerinnen weiterentwickelt und dafür eine eigene Schule betrieben.
Entgegen vieler Publikationen und Quellenangaben lautet der korrekte Vorname nicht Gertrude, sondern Gertrud (Siehe Sächsisches Staatsarchiv Dresden, Akte 11384, Nr. 4524)
Gertrud Seltmann-Meentzen - Firmenrettung durch eine starke Frau
Nach dem Tod von Charlotte Meentzen 1940 trat erstmalig ihre Schwester, Gertrud Seltmann-Meentzen, die bisher im Hintergrund gewirkt hatte, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Unterstützt durch ihren Ehemann Felix Otto Seltmann, übernahm sie nach dem Tod der Schwester die Verantwortung für das Weiterbestehen des Unternehmens. Sie rettete damit die Firma, ebenso ihre gemeinsame Vision mit der Schwester und deren Markennamen und sorgte auch für die Veröffentlichung des noch nicht erschienenen Buches „Heilkräuter im Dienst der Schönheit“. Aber Gertrud Seltmann Meentzen war bereits sehr viel eher für das Unternehmen ihrer Schwester tätig gewesen, hatte bereits frühzeitig an allen Planungen der Firmenentwicklung Anteil gehabt und war durch ihre kaufmännische Ausbildung in der Seifen- und Parfümbranche und einem Studium der Chemie und Pharmazie an der Universität Innsbruck/Österreich die verlässliche Fachkraft an der Seite ihrer Schwester Charlotte. Verheiratet war Gertrud ab 1922 mit dem Kaufmann Felix Otto Seltmann (1898-1945), mit dem sie 1924 für vier Jahre nach Blumenau/Brasilien auswanderte, um mit ihm das dortige Kreiskrankenhaus und die Kreisapotheke von Timbo/Blumenau zu leiten. Ab 1936 wechselte Gertrud von ihrer Festanstellung als Prokuristin bei der Farbenfirma Baer in Radebeul in die Firma ihrer Schwester über. Gleichzeitig verpachtete Charlotte Meentzen 1936 an Gertrud und ihren Ehemann das Laboratorium als Produktionsstätte für die Kosmetikherstellung auf der Prager Straße 24. Das Laboratorium und der Vertrieb nahm unter ihrer Leitung einen derartigen Aufschwung, dass sich Felix Otto Seltmann bereits 1939 in einen Pharmaziebetrieb in Heidenau als Geschäftsführer einkaufen konnte, der auch seinen Namen führte: "Seco Kräuter-Labotatorium".
Gertrud Seltmann Meentzen ist in der gesamten Firmengeschichte der Meentzens durchaus als die treibende Kraft zu sehen, die ausgestattet mit unglaublichem Power das Familienunternehmen mit ihrem Geschäftssinn, aber auch mit Tüchtigkeit, Durchhaltevermögen und Weitblick durch viele gesellschaftliche Brüche führte und den Grundstein dafür legte, dass die Firma nach Jahren sozialistischer Einengung, Bevormundung und Verstaatlichung, dennoch durch die nachfolgenden, ebenso tüchtigen Generationen der beiden Gründerinnen, den Weg in die Marktwirtschaft fand. Gertrud war es auch, die 1941 den Geschäftsnamen des „Charlotte Meentzen- Institutes für Schönheitspflege“ änderte in „Charlotte Meentzen - Institut für natürliche Kosmetik“, eine Anpassung an das „Laboratorium für natürliche Kosmetik“. Die Geschäfte liefen unter ihrer Regie sehr gut und 1942 kam die Dresdner Villa auf der Wiener Straße 36 in den Besitz der Firma Charlotte Meentzen als Familieneigentum.
Als 1945, bei den furchtbaren Bombardierungen von Dresden, die gesamte Prager Straße am 13. / 14. Februar in einem Feuermeer versank und in Trümmerbergen unterging, war auch das Lebenswerk der Schwestern mit Institut, Schule und Laboratorium davon betroffen und vollständig zerstört. Der Ehemann von Gertrud, Felix Otto Seltmann, kam mit der Hälfte der Belegschaft auf der Prager Straße ums Leben.
Gertrud Seltmann-Meentzen stand vor dem Nichts. Sie hatte nicht nur ihren Ehemann und einen großen Teil der Mitarbeiter auf tragische Weise verloren und stand vor den Ruinen ihrer Firma, sondern auch ihre Lebensleistung und bisherige Existenz war in den Trümmern untergegangen. Obwohl sie nach diesen Schicksalsschlägen allein mit ihren zwei Kindern Sigismund (1926-2012) und Felizitas (*1928) inmitten der Trümmer stand, wagte sie dennoch unglaublich mutig den Neubeginn und Wiederaufbau der Firma. Erste Produktionsanfänge wurden kurz nach dem Krieg in den kleinen Pharmaziebetrieb „Seltmann & Co.“ Heidenau verlegt, der ihrem verstorbenen Ehemann gehört hatte, wobei weniger die Schönheitserzeugnisse im Vordergrund standen, sondern die der Nachkriegszeit geschuldete Herstellung von dringend benötigten Nahrungs-Ersatz-Produkten, z. B. Komplekten und Arzneierzeugnisse. Als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes übernahm sie als Geschäftsführerin den Betrieb in Heidenau und begann, außer der Arzneimittelproduktion, auch mit der Kosmetikherstellung. In der Villa auf der Wiener Str. 36, die bei den Luftangriffen auf die Bahnanlagen um den Hauptbahnhof ebenfalls einen Bombentreffer erhalten hatte und bis auf die Kellerräume zerstört war, erfolgten ab 1945 erste Beräumungen der Schäden und sie begann in Etappen den Wiederaufbau als Firmensitz zu planen.
Bereits 1946 begann Gertrud in dem Kellergeschoss der Villa mit Mitarbeitern einen kleinen Manufakturbetrieb als Handelsunternehmen aufzubauen. Zum Jahresende 1948 verlagerte sie die Kosmetikherstellung von Heidenau in die Villa Wiener Straße 36, 1949 erfolgte die Neugründung des Betriebes als „Privatrechtliche Kommanditgesellschaft (KG)“ mit Produktion auf der Wiener Straße 36 unter dem Namen:
"Charlotte Meentzen KG Kräuter-Vital-Kosmetik Dresden"
Ebenfalls um diese Zeit wurde in der Villa vorübergehend die „Schule für natürliche Kosmetik“ neu gegründet, die später auf den „Weißen Hirsch“, Rißweg 58 und auf die Luboldtstraße verlegt wurde. Die ersten Einrichtungsgegenstände für die Privatschule auf dem „Weißen Hirsch“ waren hochwertige Behandlungsstühle, die Gertrud mit Mitarbeitern aus den Schuttbergen des Lahmann-Sanatoriums geborgen hatte, das 1946 zwangsenteignet und danach total verwüstet worden war.
Mit den Absolventen der Schule beschritt Gertrud Seltmann-Meentzen wieder den erfolgreichen Weg der Verbindung zwischen Schule und Praxis. Die Absolventinnen wurden in Drogerien, Reformhäuser und Parfümerien zu Beratungen und Behandlungen vor Ort gesandt, um mit dieser Strategie eine weitere Vergrößerung des Kundenkreises und die Bekanntheit der Marke herbeizuführen. Das führte in Folge zu einem enormen Aufschwung des Vertriebsnetzes der Produktserie „Charlotte Meentzen"
Als 1964 die staatliche Direktive durchgesetzt und alle Privatschulen geschlossen wurden, bedeutete das auch das „Aus“ für die Kosmetik-Privatschule Meentzen.
Die Produktionsfirma für Naturkosmetik auf der Wiener Straße hatte sich in den nächsten Jahren zum Marktführer in der Kosmetikbranche entwickelt, und Gertrude Seltmann-Meentzen stand als Chefin einer Belegschaft von rund 130 Mitarbeitern vor. Ihr Neffe Geert Dietrich Meentzen hatte sich unter ihrer Leitung zum Chemie-Ingenieur entwickelt, ihr Sohn Sigismund Seltmann zum studierten Ökonom an ihrer Seite. Das erfolgreiche mittelständische Unternehmen war offensichtlich von volkswirtschaftlichem Interesse, und es erfolgte 1968 die Umwandlung in einen „Betrieb mit staatlicher Beteiligung“.
Als im Jahr 1972 fast alle noch in Privatbesitz verbliebenen Unternehmen in der DDR verstaatlicht wurden, traf die damit verbundene Zwangsenteignung auch die Familienmitglieder von Charlotte Meentzen und Gertrud Seltmann-Meentzen. Nur die zwei Söhne der Gründerinnen durften in der Firma weiterarbeiten, Geert Dietrich Meentzen als Betriebsleiter und Sigismund Seltmann als Ökonomischer Leiter. Verboten wurde die Weiterführung des eingetragenen Markenzeichens „Charlotte Meentzen“, welches damit nach und nach verschwand und in das Label „Florena-Kräutervital“ gewandelt wurde. Die Firma wurde in „VEB Kräutervital-Kosmetik Dresden“ umbenannt und 1975 dem "VEB Chemisches Kombinat Miltitz" angeschlossen.
1980 wurde die Firma im Zuge der Kosmetik-Kombinatsgründung dem VEB Elbechemie Dresden einverleibt und damit zum Betriebsteil und in dieser Form dem "VEB Kosmezikkombinat Berlin" zugeordnet. Die neue Bezeichnung lautete nun: „Betriebsteil Kräutervital-Kosmetik Dresden, VEB“. Das Dresdner Unternehmen produzierte unter DDR-Verhältnissen sehr erfolgreich weiter und erwirtschaftete unter der Leitung von Geert Dietrich Meentzen und Sigismund Seltmann Jahresumsatz-Erlöse in Millionen-Höhe.
Die Powerfrau Gertrud Seltmann-Meentzen, einstige Mitbegründerin des Unternehmens „Charlotte Meentzen - Institut für Schönheitspflege“, die in den Jahrzehnten nach dem frühen Tod der Schwester unvorstellbares in all den Kriegsereignissen mit persönlichen Verlusten, schweren Nachkriegszeiten, Enteignungswellen unter DDR-Verhältnissen für den Weiterbestand der Firma geleistet hatte, stand mit der Verstaatlichung und Zwangsenteignung 1972 erneut vor den Trümmern ihrer Tatkraft und Existenz. Sie verließ, zutiefst enttäuscht, die DDR und siedelte in die BRD über, zuerst nach Hannover, später nach Betzigau/Allgäu, wo ihr Leben 1985 endete.
Das Vermächtnis - Söhne und Enkel führen das Unternehmen
von der Tradition in die Moderne
Nach der politischen Wende 1989 begannen die beiden tatkräftigen Söhne der Meentzen-Schwestern, Geert-Dietrich Meentzen und Sigismund Seltmann, sofort mit den erforderlichen Vorbereitungen für die Reprivatisierung des Unternehmens. Ein vorläufiger erster „Betriebsüberlassungsvertrag“ sicherte den Fortbestand der Firma in unübersichtlicher Zeit, bevor es Treuhandentscheidungen gab - eine richtige Entscheidung, um am Markt präsent zu bleiben. Mit der gelungenen Reprivatisierung trat der eingetragene Markenname „Charlotte Meentzen“ wieder in den Vordergrund, prägte das Erscheinungsbild der Firma als „Charlotte Meentzen Kräutervital - Kosmetik GmbH“ und wurde Programm und Verpflichtung für alle Aktivitäten der neuen Unternehmer-Generationen ab 1990.
Unter den erfahrenen Geschäftsführern Geert Dietrich Meentzen und Sigismund Seltmann, die 1990 auch gleich die nächste Generation mit drei weiteren Enkeln von Gertrud Seltmann-Meentzen mit ins Boot des Unternehmens holten, begann in der Nachwendezeit der Neubeginn. Ob als Gesellschafter, Ökonomen, Exportmanager oder Repräsentanten, alle begannen mit viel Herzblut und Engagement, das Unternehmen in vorderster Linie wettbewerbsfähig zu machen und zu führen, den Bedingungen der Marktwirtschaft anzupassen und den Betrieb nach neuesten Gesichtspunkten aufzubauen. Neue Forschungs- und Vertriebsmethoden, erweiterte Rezepturen unter Beachtung internationaler Trends führten zu Erfolg und Wachstum, die nach Veränderungen verlangten.
Im Jahr 2002 wurde, als günstiger Standort des Unternehmens zum Expandieren, das neue Gewerbegebiet in Radeberg, Pillnitzer Straße, ausgewählt. Von hier aus setzte sich die Erfolgsgeschichte fort. Die Marke aus Radeberg hat sich, durch die Qualität der Produkte und den zunehmenden Trend der modernen Naturkosmetik, im Laufe der Zeit gegen viele Wettbewerber erfolgreich durchsetzen können. Lieferungen der Meentzen-Produktpalette von Naturkosmetik erfolgen außer in ganz Deutschland auch nach England, die Schweiz, Niederlande, Türkei, Polen, Australien, Asien. Weltweit arbeiten 5.000 Kosmetikinstitute mit der Meentzen-Kosmetik, mit den Produkten dieser sächsischen Marke, die in Radeberg ansässig ist.
Einst wurde die Firma mit ihrer Marke durch die gründungsfreudigen Powerfrauen Charlotte Meentzen und ihre Schwester Gertrud Seltmann-Meentzen in Dresden ins Leben gerufen. Nach dem frühen Tod von Charlotte übernahm ihre tüchtige Schwester Gertrud Seltmann-Meentzen das Unternehmen und führte es mit Geschäftssinn und Durchhaltevermögen erfolgreich weiter, ungeachtet aller Schicksalsschläge durch Krieg, Verlust, Verstaatlichung und Enteignung. Sie hat als Frau und Unternehmerin Großes geleistet, und ihr ist es zu verdanken, dass das Unternehmen an die nächsten Generationen übergeben werden konnte.
Ehrungen
Der Erfolg der Firma und die kompromisslose Qualität der natürlichen Pflegeprodukte wurde 2018 mit der Auszeichnung des „German Brand Award“ belohnt und gewürdigt. Das Naturkosmetik-Unternehmen erhielt bei der Preisverleihung am 21. Juni 2018 im Deutschen Historischen Museum / Schlüterhof in Berlin, den Award in der Kategorie „Industry Excellence in Branding / Beauty & Care“ für ihre hervorragende Markenführung und den erfolgreichen Verpackungsrelaunch. Die Firma „Charlotte Meentzen“ schaffte es, als einzige Kosmetikfirma im Raum der ehemaligen DDR, auch nach der Wiedervereinigung ihr Weiterbestehen stabilisieren zu können.
Am 26. Februar 2020, dem 80. Todestag von Charlotte Meentzen, ist an der ehemaligen Meentzen-Villa Wiener Straße 36 in Dresden, im Rahmen einer feierlichen Gedenkveranstaltung für die Schwestern und Unternehmerinnen Charlotte Meentzen und Gertrud Seltmann-Meentzen eine Gedenktafel eingeweiht worden. Mitglieder der Familien Meentzen und Seltmann sowie Vertreter der Charlotte Meentzen KRÄUTERVITAL KOSMETIK Radeberg GmbH haben daran teilgenommen. Initiiert wurde diese Gedenktafel vom Landesfrauenrat Sachsen e. V. im Rahmen des „Projektes Frauen-orte Sachsen“.
Die Philosophie der zwei Powerfrauen Meentzen lebt weiter, heute bereits in dritter Generation der Familie. Und auch der Name von Charlotte Meentzen lebt unmittelbar weiter, denn ihr Sohn Geert Dietrich Meentzen hatte einer seiner drei Töchter, die kurze Zeit nach der Firmen-Enteignung 1972 geboren wurde, den Namen der Großmutter gegeben. Mit ihr sollte die Erinnerung an seine Mutter Charlotte Meentzen, die er selbst nie kennengelernt hatte, weiter bewahrt und weitergetragen werden, deren Name und Marke gerade zu dieser Zeit durch staatliche Willkür verboten worden waren. Charlotte Meentzen jun., die Enkelin der Gründerin, betreibt heute ebenfalls voller Stolz ein „Institut für natürliche Kosmetik“ in Radebeul - ganz im Sinne ihrer berühmten Großmutter…
Renate Schönfuß-Krause
Februar 2020
Ich danke allen Mitgliedern der Familien Meentzen und Seltmann für die großzügige Unterstützung und die Genehmigungen zur Veröffentlichung des Bild- und Informationsmaterials.
©Alle Bilder und der gesamte Text unterliegen dem Urheberschutz. Auszüge, Kopien und Vervielfältigungen gleich welcher Art und Technik sind nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. des Inhabers der Bildrechte zulässig.
Quellen:
Neben vielen anderen interessanten Beiträgen ist der Artikel über Gertrud Seltmann-Meentzen in leicht abgewandelter Form im o.g. Heft 21 veröffentlicht worden.