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Der Lotzdorfer Freigutsbesitzer als Vizepräsident der I. Kammer des Sächsischen Landtages – ein Politiker mit Rückgrat
Beim Erforschen der interessanten 800-jährigen Geschichte Radebergs und seiner Umgebung kommt man nicht umhin, den Ort Lotzdorf mit einzubeziehen, der seit jeher mit Radeberg in enger Nachbarschaft verbunden ist. Besonders natürlich auch deshalb, weil Lotzdorf am 1. Januar 1920 nach Radeberg „einverleibt“ bzw. mit Radeberg vereinigt worden war. Das war keine Eingemeindung, denn durch diese Einverleibung ist Lotzdorf als bis dahin eigenständige, gleichberechtigte Gemeinde zum Stadtteil geworden, nicht zum Ortsteil von Radeberg.
Damit konnte das seit 1341 erstmals urkundlich erwähnte Lotzdorf, mit der Besonderheit seines Freigutes im Ortskern, auf ein weiteres, besonderes Ereignis in der Geschichtsschreibung verweisen. Das Freigut Lotzdorf, Mittelpunkt und größtes Gut des Dorfes, war einst vermutlich aus einem steuerfreien Erbschulzengut/ Richtergut entstanden, das zu Beginn der Kolonisierung einem Locator, der die Ansiedlung der Bauern organisiert und vorgenommen hatte, vom Grundherrn als Lohn für seine Dienste übereignet wurde. Die Locatoren erhielten bei Dorfbesiedlungen das größte Stück Land, zumeist auch das Brau- und Schankrecht und das Amt eines Richters übertragen.
Richter nahmen auch in den folgenden Jahrhunderten in den Dörfern, wegen ihrer Verpflichtung der unabhängigen Rechtsprechung, immer eine besondere Stellung ein. Sie waren rechtlich selbständig, und da sie als Richter unbeeinflussbar und vollkommen „frei“ in ihren Entscheidungen Recht sprechen sollten, mussten sie unabhängig von der Gemeinde, auch unabhängig vom Amt oder Grundherrn sein und waren nur in letzter Instanz dem Landesherrn verpflichtet. Richter erhielten vom Landesherrn in den Dörfern für ihre Dienste, neben dem größten Landbesitz, viele weitere Vergünstigungen. Sie waren von grundherrlichen Abgaben und Frondiensten befreit, und ihr Besitz war mit dem Richteramt vererbbar und frei veräußerbar (Erbrichter, Erbgericht). Dieser Erbrichter als Besitzer eines Frei(en)gutes war durch seine Sonderstellung nicht, wie die Rittergutsbesitzer, zinspflichtig gegenüber dem Kurfürsten oder König, sondern nur gegenüber der Kirche. In einer Urkunde von 1517 wurde der Richter zu Lotzdorf mit seiner Zinspflicht von 6 Groschen gegenüber dem Pfarrer zu Radeberg aufgeführt, gemeinsam mit den Lotzdorfer Bauern. Bei den ebenfalls zu dieser Zeit fälligen Zinszahlung an den Landesherrn sind nur die zinspflichtigen Bauern aufgelistet, was den besonderen Status des Richters und Freigutsbesitzers beweist.
Der Status eines Frei(en)gutes wurde auch beibehalten, als es längst kein „Richtergut“ mehr war. Bei dem Freigut Lotzdorf kann man über Jahrhunderte auf eine lange Liste von Freigutsbesitzern verweisen. Dabei fällt auf, dass das Freigut mit seinem größten Grundbesitz des Dorfes, ungeachtet aller Vergünstigungen, durch die jeweiligen Besitzer bereits immer wieder nach wenigen Jahren veräußert wurde. In der Beilage „Dresdner Anzeigen“ vom 31. Juli 1806 wurde sogar eine Zwangsversteigerung des Freigutes Lotzdorf für den 26. September 1806 durch den Radeberger Justizamtmann Ernst Ludwig Langbein angekündigt.
Im Jahr 1823 wurde der erneute Verkauf des Freigutes Lotzdorf durch den Amtsverwalter Heinrich Gottlieb Neitzsch, aus dem Nachlass des Kabinettsministers Camillo Graf Marcolini (1739-1814), im Staatsarchiv Dresden aktenkundig vermerkt. Er verkaufte das Freigut am 14. Oktober 1823 an den Kaserneninspektor zu Dresden, Carl Christian Haden. Dieser dem Militärkommando zu Dresden Neustadt angehörende Inspektor, der in seiner Funktion für alle ökonomischen Angelegenheiten in der Verwaltung der Kasernen zuständig war, wohnte in Dresden, Annengasse 578, wo er gleichzeitig unter dieser Adresse auch eine öffentliche Badeanstalt betrieb. Das Freigut übergab Carl Christian Haden an seinen Sohn, Wilhelm August Ernst Haden (* 6. August 1800 Dresden (?), † 16. Dezember 1882 Lotzdorf). Dieser wurde von seinem Vater als Administrator/ Verwalter eingesetzt und lebte mit seiner Frau und drei Kindern auf dem Freigut. Mit seinem Wirken als Verwalter ab 1823 begann offenbar eine stabile und damit erfolgreiche Bewirtschaftung des Freigutsbesitzes. Sein Vater, Kaserneninspektor Carl Christian Haden aus Dresden, wurde auf dem Freigut bis 1837/38 als Eigentümer urkundlich nachgewiesen, erst dann ging das Freigut an seinen Sohn in Besitz über.
Der zu diesem Zeitpunkt der Übernahme als Freigutsbesitzer 38-jährige Wilhelm August Ernst Haden muss damals bereits als ein tüchtiger Ökonom in Sachsen in Erscheinung getreten sein, denn schon 1829, mit der Vorbereitung der Durchsetzung der königlich sächsischen Agrar-Reform, erhielt er die Berufung als Ökonomiekommissar in die neu gegründete „Kommission zur Abschätzung des Grundeigentums“. Offenbar nahm er damals auch schon vor 1831 einen Sitz im Sächsischen Landtag als Abgeordneter des Bauernstandes ein. Als 1832 das „Gesetz zur Ablösung und Gemeinheitsteilung“ verabschiedet wurde, berief man W. A. E. Haden zum „Ablösungskommissar“.
„Dresdner Anzeigen“ vom 31. July 1806 mit der vom Radeberger Justizamtmann Langbein veröffentlichten Versteigerungsanzeige. Sehr aufschlussreich sind die
Angaben zu Größe und Art des Grundbesitzes, zum Viehbestand und dass die Gebäude neu sind.
Aus den Freiguts-Flächenangaben „400 Scheffel Land á 8.000 Quadrat-Ellen“ (die alten Maße waren regional sehr unterschiedlich, eine Sächsische Elle = etwa 0,6 m) kann man ungefähr folgende Flächen in Hektar rückrechnen:
Gesamtgröße des Freigutes im Jahre 1806: etwa 115 Hektar (ha), davon 43 ha Feld, 19 ha Wiesen, 52 ha Wald / Nadelholz und ca. 1 ha Gartenland. Allein das als Vierseitenhof angelegte Gut hatte eine Fläche von über 5.000 qm.
In den folgenden Jahrzehnten sind mehrmals Flächen „abgetreten“ (veräußert) worden.
Zur Bodenreform 1945 hatten die Ländereien des Freigutes noch etwa 48 ha Fläche.
Der Kommission stand Kommissionsrat Heinrich August Blochmann vor (*12.2.1787 Reichstädt, † 8.12.1851 Friedrichstal / Radeberg), der mit seiner fortschrittlichen Kommissionsarbeit noch heute als einer der führenden Initiatoren für die Modernisierung Sachsens angesehen wird. Zwischen Blochmann und Haden, beide tüchtige Ökonomen und anerkannte Landwirte, auch durchaus „fast-Nachbarn“, denn Blochmann erwarb 1841 das Gut und Schloss Wachau und 1845 das Vorwerk / Gut Friedrichstal bei Radeberg, entstand ein achtungsvolles enges Verhältnis. Der geistige Austausch und das gemeinsame Ziel, eine modernere, ertragreichere Landwirtschaft aufzubauen, Neuheiten einzuführen und die Landbevölkerung zu unterstützen und von Lasten zu befreien, verband beide Männer. Blochmann war wegweisend, er ging neue Wege, gründete eine „Knechte-Schule“ und einen landwirtschaftlichen Verein in dem Dorf Wachau und förderte den jungen Julius Kühn (* 1825 Pulsnitz, † 1910 Halle) aus Pulsnitz, der bei Blochmann zur Ausbildung in der praktischen Landwirtschaft von 1841-1844 auf Gut Wachau, später auch als Verwalter von 1846-1848 auf Gut Friedrichstal, wirksam war. Julius Kühn wurde später ein berühmter Professor an der Universität Halle und gilt als Reformator der Landwirtschaftslehre. Er begründete mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Bemühungen um die Errichtung höherer landwirtschaftlicher Lehranstalten eine neue Wertigkeit der Landwirtschaft.
Das Freigut im Lotzdorfer Tal-Einschnitt, vom südlich liegenden Schafberg aus gesehen. Das „Haupthaus“ rechts mit dem Türmchen stand rechtwinklig zur dahinter verlaufenden Dorfstraße. Rechts hinten der Silberberg. Um 1910.
Diese Kontakte und Anregungen für eine modernere, ertragreichere Landwirtschaft waren auch förderlich für das Freigut Lotzdorf. Wilhelm August Ernst Haden konnte mit seiner Familie von 1823 bis 1888, Wilhelms Sohn übernahm das Gut um 1859, auf eine erfolgreiche Bewirtschaftung von insgesamt 65 Jahren zurückblicken. Bis heute hat der Name Haden in Lotzdorf einen ehrenvollen Klang, denn sein umsichtiges und erfolgreiches Schaffen verhalf ihm zu hohem Ansehen. Auch in den Protokollen der Gemeindebücher wurde immer besonders erwähnt, wenn „Herr Haden als Gast“ bei Gemeindeversammlungen anwesend war – er gehörte als Freigutsbesitzer zwar nicht zur Gemeinde, aber in den Gemeinderatssitzungen ab 1839 wurde immer wieder protokolliert, wie anerkannt er durch seine herausragende Stellung als Freigutsbesitzer, wegen seines Weitblickes und seines stetigen hilfreichen Rates in der Gemeinde war. Ebenso aktiv war er auch als „Bezirksdeputierter der Leipziger Hagelschäden-Versicherungsgesellschaft“ für Lotzdorf tätig.
Der innere Gutshof um 1920. Zu dieser Zeit ist das Gut im Besitz von Bernhard Maschke. Das Herrenhaus mit dem Türmchen ist das Hauptgebäude.
Was aber sicherlich bis heute fast keiner mehr weiß, da es in Schriftstücken von Lotzdorf und Radeberg kaum vermerkt und jetzt erst bei den Recherchen in Journalen und Zeitungen gefunden wurde – er war auch Deputierter im Sächsischen Landtag, ein Volksvertreter im Parlament, ein Politiker! Als Abgeordneter des Bauernstandes setzte er sich in der II. Kammer stets für die Interessen der Bauernschaft in den Sitzungen des Landtags ein und opponierte gegen Ungerechtigkeiten der Kapitalverteilung, wie in der Debatte der II. Kammer am 17. August 1848 über die ungenügenden Notstandsmaßregeln zur Unterstützung der Landwirtschaft oder seine Gegenstimme und Stimmverweigerung, gemeinsam mit Vizepräsident Pfotenhauer, gegen einen Antrag, der so heiß debattiert wurde, dass sogar mit Räumung des Parlaments am 5. Sept. 1848 gedroht werden musste. Haden gehörte auch zu denjenigen revolutionären Kräften, die sich in der Revolution 1848/49 voller Mut und Entschlossenheit zu den demokratischen Zielen des „Vaterlandsvereins“ bekannten. In Vorbereitung der Landtagswahlen im Dezember 1848, die nach dem neuen Wahlgesetz durchgeführt wurden, kandidierte er im Dezember 1848 für den Vaterlandsverein in den Dresdner Wahlbezirken für die I. und II. Kammer, und er war bereits als ein so anerkannter und überzeugender Abgeordneter bekannt, der als „redlicher und freisinniger Abgeordneter“ sogar in den Zeitungen genannt wurde, dass er sich mit den meisten Stimmen gegenüber seinen vielen Mitkandidaten durchsetzen konnte. Er wurde zum 2. Vizepräsidenten der I. Kammer gewählt, der höchsten Instanz der Ständeversammlung des Landtages im Königreich Sachsen, in der auch der König und die Prinzen vertreten waren.
W. A. E. Hadens Entwicklung ist beeindruckend, wenn man seine heute kaum noch bekannte politische Schlüsselposition entdeckt, die der aus einer Dresdner Beamtenfamilie stammende Sohn eines Kaserneninspektors zu Dresden einnahm, ob als Ökonomiekommissar, Ablösungskommissar, als Abgeordneter der II. Kammer oder als 2. Vizepräsident der I. Kammer im Sächsischen Landtag.
Vermutlich begann Hadens politische Karriere bereits in der Zeit der Revolution um 1830, als mit der darauf folgenden Verabschiedung der Verfassung 1831 und dem Dokument „Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht“, erstmalig festgeschrieben worden war, wie das Königreich Sachsen sich in die Moderne entwickeln sollte. Diese grundlegenden Veränderungen im Parlamentarismus, dass anstelle der bisherigen feudalen Stände eine Ständeversammlung mit zwei gleichberechtigten Kammern gebildet und der bisherige Machtanspruch der Minister eingeschränkt wurde, war ein großer Erfolg auf dem Weg zur Demokratie. Die Abgeordneten waren zu dieser Zeit zumeist noch Vertreter der privilegierten und besitzenden Klasse, politische Parteien gab es noch nicht. Der Freigutsbesitzer Haden von Lotzdorf, als Vertreter der besitzenden Klasse der Gutsbesitzer, wurde Abgeordneter in der II. Kammer. Im Staatshandbuch Sachsens 1843 und 1845 wurde vermerkt, dass W. A. E. Haden, der Freigutsbesitzer und Ablösungskommissar zu Lotzdorf, als Mitglied der Ständeversammlung für den 9. Bezirk als Abgeordneter des Bauernstandes vertreten war. Als am 5. September 1846 in Radeberg ein großes Bürgerfest anlässlich der Einführung der Constitution (Verfassung) von 1831 gefeiert wurde, an dem auch die Delegationen der Städte Bischofswerda, Königsbrück, Pulsnitz, Radeburg und Stolpen beteiligt waren, trat W. A. E. Haden als einer der Festredner mit Dr. Schaffrath aus Dresden in Erscheinung und forderte von allen Anwesenden Mut und Ausdauer bei der Bewältigung noch vieler Unzulänglichkeiten, wies jedoch auf die „vielen, durch die Constitution zuteilgewordenen Erleichterungen für den Landmann hin, auf die Steuerermäßigung, der freien Presse und der Steuerrevision, ferner auf die Beseitigung der früheren uneingeschränkten Gewalt der Minister mit ihren verübten Gewalttätigkeiten“.
1847 wurde er als Abgeordneter der II. Kammer wiederum mit Sitz im Landtag verzeichnet, und im Revolutionsjahr 1848 schloss er sich den radikalen Demokraten des Vaterlandsvereins an, die sich den Sturz der Monarchie auf die Fahnen geschrieben hatten und sich selbst als „entschieden freisinnige Partei“ bezeichneten. Er war als Abgeordneter mitbeteiligt, als 1848 im Landtag das veraltete Wahlsystem von 1831 abgesetzt und ein „Provisorisches Wahlgesetz“ verabschiedet wurde, das erstmalig ein allgemeines gleiches Wahlrecht für Männer einführte und das in der I. Kammer außer den königlichen Prinzen auch 50 Abgeordnete mit Grundbesitz zuließ, die direkt in den Wahlkreisen gewählt werden sollten. Als die Wahlen im Dezember 1848 erfolgten, erhielten die demokratischen Abgeordneten die überwiegende Mehrheit in beiden Kammern. Die Wahl-Ergebnisse des Freigutsbesitzers und Ablösungskommissars Haden waren durchschlagend, wie die Zeitungen berichteten. Er erreichte im 70. Bezirk Dresdens die höchsten Stimmanteile in seinen Wahlbezirken 13, 14, 15 für die I. Kammer des Landtages, ebenso erfolgreich war sein überdurchschnittliches Wahlergebnis für die Wahl zur II. Kammer. Ab Januar 1849 wurde er unter dem Landtags- Präsidenten Hermann Gottlob Joseph (1811-1869), der auch Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung war, zum 2. Vizepräsidenten ernannt, der 1. Vizepräsident war Bürgermeister Carl Hugo Tzschucke (1809-1879) aus Meißen. Gemeinsam kämpften sie im Parlament um die Einführung und Stärkung des sächsischen Parlamentarismus sowie um die Anerkennung der Frankfurter Paulskirchenverfassung durch Sachsens König Friedrich August II. (1797-1854). Nachdem der König die Verfassung abgelehnt und am 28. April 1849 das Parlament aufgelöst hatte, kam es zum revolutionären Maiaufstand in Dresden (3. - 9. Mai 1849), an dem sich Hadens Sohn, der Rechtskandidat Gustav Haden (* 1827), als Hauptmann der Lotzdorfer Kommunalgarde aktiv beteiligte. Nach der Niederschlagung des Maiaufstandes wurden die Neuwahlen für den Landtag durch den König und seine königstreuen Minister bis zum November 1849 verzögert, Kandidaturen von missliebigen Personen wurden unterbunden, oder sie kamen wegen Beteiligung am Aufstand unter Anklage.
Da W. A. E. Haden nicht am revolutionären Geschehen beteiligt war, wurde er unter dem neuen Kammerpräsidenten Robert Georgi (1802-1869) wieder in das Parlament von 1849/50 aufgenommen. Aber auch dieser neu gebildete Landtag, der ebenfalls wieder versuchte, an ehemalige Errungenschaften der Revolution anzuknüpfen und demzufolge eine echte Parlamentarisierung der Monarchie forderte, wurde vom König am 1. Juni 1850 erneut aufgelöst. Zwei Tage später erfolgte ein offener Rechtsbruch durch den König, indem er das „Provisorische Wahlgesetz“ von 1848 für ungültig erklärte, dafür das von 1831 wieder als gültig und verbindlich zuließ. Ein Staatsstreich, der die rückständigen Zustände der Monarchie des sogenannten Vormärz, mit Gesetzlichkeiten von vor 1831, wieder herbei- und einführte. In Folge wurde auch der nach diesem alten Wahlrecht damals zusammengesetzte Landtag durch den König wieder einberufen, in dem W. A. E. Haden als damaliges Mitglied der II. Kammer ebenfalls wieder eine Nominierung erfuhr. Als er als Parlamentarier den Eid auf diese Verfassung von 1850 leisten sollte, die der vor 1831 gültigen alten Verfassung entsprach, gehörte er zu denjenigen mutigen Abgeordneten, die eine Beeidung auf diese oktroyierte (aufgezwungene) Verfassung von 1850 verweigerten – ein sehr mutiger Schritt, wenn man bedenkt, wie alle auch nur vermutlichen Gegner des Königs und seiner Regierung nach der niedergeschlagenen Revolution 1848/49, besonders auch als Mitglieder des Vaterlandsvereins, gnadenlos verfolgt oder, wie der ehemalige 1. Vizepräsident Tzschucke, sogar wegen Hochverrats angeklagt wurden. Zudem war das Schicksal von W. A. E. Hadens Sohn, des Rechtskandidaten Gustav Haden, ungewiss, der 1850 bereits als Revolutionär in Erster Instanz zum Tode verurteilt worden war und das gleiche Schicksal nochmals in Zweiter Instanz 1851 erfuhr. Das zweimalige Todesurteil wurde später in verschärfte Kerkerhaft gewandelt, und schließlich wurde er im Dezember 1852 zur Landesausweisung begnadigt. Er verließ im Januar 1853, nach seiner Haftentlassung, Deutschland und ging nach New York.
Diese getroffene Entscheidung des Freigutsbesitzers und Ablösungskommissars Haden, der ungeachtet des ungewissen Schicksals seines mehrmalig zum Tode verurteilten Sohnes, dennoch seiner eigenen Überzeugung treu blieb, der sich offen gegen den König stellte und den Eid auf die Verfassung verweigerte - zu diesem Schritt gehörte in dieser Situation viel Mut und noch mehr Rückgrat.
Sein aufrechter Gang fordert heute noch Respekt. Wer war dieser Mann, der sich so tatkräftig, nicht nur als erfolgreicher Verwalter und Besitzer eines Freigutes, in die Geschichtsschreibung des Dorfes Lotzdorf eingebracht hat, sondern auch als Politiker im Königreich Sachsen?
Seine Herkunft ist interessant, denn er stammt aus einer hochgestellten Dresdner Beamtenfamilie in mehreren Generationen, was vermutlich seine Prägung bewirkt hat. Geboren wurde Wilhelm August Ernst Haden am 6. August 1800. Sein Vater, Carl Christian Haden, hatte eine militärische Laufbahn genommen, in militärischen Diensten den Rang eines Unteroffiziers erreicht, war zum Sousleutnant (Unterleutnant) und schließlich zum Kasernen-Inspektor befördert worden. Der Großvater war Carl Wilhelm Haden, ein Richter zu Dresden. Die Familie Haden war lt. „Dresdner Adreß-Kalender 1820“ an der Annenkirche Nr. 578 registriert. Der Urgroßvater war Christian August Haden(ius) zu Dresden, der noch die latinisierte Form als Familiennamen gebrauchte und in der Königl. Kriegskammer „Oberrechnungscommissar und Secretär“ war.
Der Freigutsbesitzer zu Lotzdorf, Abgeordneter und Zweiter Vizepräsident im Sächsischen Landtag, Wilhelm August Ernst Haden, war seit 1822 verheiratet mit Louise Charlotte geb. Kasten (1798-1862). Mit ihr hatte er eine Tochter namens Rosalie Louise Charlotte (*1823) und zwei Söhne, Ernst Wilhelm Gustav (* 1824) und Robert Theodor (* 1827). Er verstarb am 16. Dezember 1882 als Auszügler im Freigut Lotzdorf im Alter von 82 Jahren und 4 Monaten.
Sterbe-Anzeige für Louise Charlotte Haden (Leipziger Zeitung vom 20.3.1862)
und Danksagung für Wilhelm Haden (Radeberger Zeitung vom 21.12.1882)
Eine gewisse Tragik dieses mehr als tüchtigen, erfolgreichen und mutigen Mannes kann man an der Tatsache ersehen, dass sein Sohn Ernst Wilhelm Gustav bei der Aufnahme des Sterbefalls des Vaters 1882 auf dem Standesamt Lotzdorf mehrmalig auf Fragen zur Herkunft der Familie „unbekannt“ angegeben hatte...
Der standesamtliche Sterbe-Eintrag für
Wilhelm August Ernst Haden
im Standesamt Lotzdorf.
Quellen:
©Renate Schönfuß-Krause
Lotzdorf-Historikerin
November 2019