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Radeberg, Grüne Stadt, Grünes Band, Liegau-Augustusbad, Seifersdorfer Tal
Radeberg, Grüne Stadt, Grünes Band, Liegau-Augustusbad, Seifersdorfer Tal, Dorfmühle Liegau, Weiße Mühle Liegau, Grundmühle Radeberg
Radeberg, Grüne Stadt, Grünes Band, Lieg
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Es grünt so grün...

nicht nur "wenn Spaniens Blüten blühen", sondern auch in Liegau-Augustusbad

Grüne Stadt Radeberg, Grünes Band Radeberg, Grüne Industriestadt Radeberg: betrachtet wird der Kern der Grünen Lunge Radebergs, das westlich des Stadtzentrums gelegene Rödertal mit den Abschnitten Lotzdorf, Liegau-Augustusbad, Dorfmühle Liegau, Weiße Mühle Liegau, Grundmühle Radeberg, Marienmühle Seifersdorfer Tal, die Geologie des Rödertales am Westrand der Lausitzer Platte

Vollständige, mit umfangreichem Bildmaterial ausgestattete Fassung.       

Gekürzt veröffentlicht in mehreren Folgen, beginnend in

"die Radeberger"  Nr. 38 vom 21.9.2018      bis Nr. 43 v. 26.10.2018                                                  


Es grünt so grün...

nicht nur "wenn Spaniens Blüten blühen",

sondern auch in Liegau

Das Rödertal mit der Dorflage Liegau und dem Augustusbad

Blick über Lotzdorf mit der Ludwig-Richter-Schule zum Schafberg
Blick vom „Lotzdorfer Gebirge“ auf den Lotzdorfer Taleinschnitt, im Hintergrund der Schafberg

Wie im Teil 1 dieser Serie (s.o.) bereits erwähnt, beginnt die Dorflage Liegau nur wenig entfernt von der Lotzdorfer Mühle (Rasenmühle, Wiesenmühle), ab der Lotzdorfer Straßenbrücke über die Große Röder, die nun wieder zum „Grenzfluss“ zwischen dem seit 1920 mit Radeberg vereinigten Lotzdorf und dem Dorf Liegau wird. Das Dorf schließt sich in seinem Richtungsverlauf Lotzdorf an, ist genau wie Lotzdorf ein Reihendorf. Der Unterschied zu Lotzdorf besteht jedoch darin, dass Liegau auf Grund seiner besonderen Lage, mit den steilen Hängen auf der östlichen Seite der Großen Röder, sich nur linksseitig des Flusses ausbreiten konnte und so ein einreihiges Waldhufendorf entstand. Alle Feldwege ziehen sich nur linksseitig zu den Hängen der Waldhufen hin. Erstmalig wurde Liegau im Jahr 1351 als „Lygau“ erwähnt, vermutlich hat es älteren Ursprung und entstand bereits mit dem Beginn des Bergbaues im 13.Jahrhundert und mit den Anfängen der Besiedlung Radebergs und Lotzdorfs.

Die Besiedlung von Liegau vollzog sich nur in der schmalen Tallage der Flussaue, immer entlang der Röder und nicht wie die Lotzdorfs, welches sich von der Hochfläche in einer flachen Geländemulde des Rödertalhanges zur Röder hinabzieht. Liegau wurde 1922 mit Augustusbad vereinigt, 1995 nach Radeberg eingemeindet als „Liegau-Augustusbad“ und ist seitdem ein Ortsteil von Radeberg. Dieser setzt sich aus dem Dorf Liegau mit seinem ehemaligen Rittergut als Zentrumsbereich des Ortes, dem ehemaligen Kurbad Augustusbad und Kleinwachau zusammen.

Bis heute trennt nur das Band der Röder die Lotzdorfer Flur von der Flur Liegau. Optisch gesehen ist der Übergang gleitend, mit den für die Röderlandschaft typischen Auwiesen, die linksseitig der Röder auf Liegauer Gebiet in Bodenerhebungen mit Rasenflächen und Ackerland übergehen, während rechts der Röder, im Lotzdorfer Gebiet, wiederum die steilen Hänge und Felskanten der Westlausitzer Hochfläche mit ihrem kargen Gesteinsboden, einer mageren Vegetation und Waldbewuchs zu sehen sind.

 

Christoph Seydel entdeckt 1716 die Heilquellen, Radeberger Bad, Augustusbrunnen, Augustusbad,
Christoph Seydel entdeckt 1716 die Heilquellen

In diese Hochfläche ist ein tiefes Tal in die Felsplatten eingeschnitten, das in einem kesselförmigen Grund ausläuft, dem sogenannten Tannengrund. Hier wurde bereits im 13. Jahrhundert Bergbau betrieben. Seine Blütezeit mit einer größeren Anzahl Schächte und Stollen ist im 16. Jahrhundert belegt. 1716 entdeckte der Radeberger Bürgermeister Christoph Seydel beim Öffnen eines der verlassenen Stollen, auf der Suche nach Baumaterial für die 1714 abgebrannte Stadt Radeberg, eine Heilwasserquelle. Dieser später als „Augustusbrunnen“ bezeichnete Ort wurde durch ihn zur Kureinrichtung „Radeberger Bad“ ausgebaut, das als deutschlandweit berühmtes, ältestes sächsisches Heilbad 1719 gegründet wurde. Kurfürst August der Starke (1670-1733) ernannte es zum „Augustusbad“

In den „Nachrichten aus dem Röderthal“ von 1897 wird über die Vorzüge der Lage folgendes hervorgehoben: „Es liegt in einem reizenden Seitenthale des Röderflusses, mitten in einem ausgedehnten, das lieblichste Gemisch von Laub- und Nadelholz enthaltenden hügeligen Waldpark. Das Klima ist mild, die Luft rein, ozonhaltig, rauch- und staubfrei, die Lage nebelfrei. Die überaus günstige Thallage des Bades, der bedeutende Waldbestand desselben (…) und die großen Waldungen gewähren genügenden Schutz vor rauhen Winden, insbesondere vor Nord- und Ostwind.“

Eine Besonderheit der Eigentumsrechte an den Fluren des Augustusbades bestand darin, dass die rechte Seite des Taleinschnittes zu dem Dorf Wachau gehörte, die linke Seite war Lotzdorfer Flur, aber der Silberberg mit dem eigentlichen Tannengrunde gehörte ehemals nicht zu Lotzdorf oder Liegau, sondern dem Rate zu Radeberg, der zuerst am Ertrag des Bergbaues, später am Gewinn des Bades maßgeblich beteiligt war und damit zur weiteren Entwicklung und Vergrößerung Radebergs beitrug. Aber auch Radebergs Bürger hatten von der Entdeckung ihres Bürgermeisters Seidel unmittelbare Vorteile. Als Seidel 1724 durch einen Churfürstlichen Rescript als der Erbeigentümer der von ihm entdeckten Quellen und des auf seine Kosten entstandenen eleganten Bades erklärt wurde, machte er sich verbindlich, „allen Radeberger Bürgern, deren Weibern und Kindern und allen in der Stadt wohnenden Anverwanden von der Heilquelle unentgeldlich verabfolgen zu lassen.“ Auch die in der Radeberger Garnison stehenden Herren Offiziere kamen regelmäßig ab 5 Uhr nach dem Bade.

Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata), Echte sind erkennbar an den grünen Röhrenblüten
„Echte“ Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata), erkennbar an den grünen Röhrenblüten

1791 erfährt man in dem „Handbuch für Reisende durch Deutschland“ von L. W. Gilbert: „Vorzüglich berühmt ist jedoch Radeberg durch sein vortreffliches 1717 entdecktes Bad, der Augustusbrunnen genannt, das eine halbe Stunde von der Stadt im sogenannten Tannengrunde, einer romantischen, durch Kunst verschönerten Gegend, in den nördlichen Gebirgen zwischen den Dörfern Lotzdorf und Liegau quellt.“ Und in der Berliner „Zeitung für die elegante Welt“ aus dem Jahr 1808 erfährt man, dass „zwischen ihrem edeln Heil- und Gesundheitsborn wilde Gewässer sich einmischen mit Gestrüpp von Binsen und Geröhrig verflochten und man (…), aus ganz nachbarlichen Befruchtungsmagazinen allerlei zufließen ließ, was der ausgemergelten Erdscholle weit mehr zusagt, als dem ausgemergelten Menschenkörper“. Das Quellwasser wurde damals schon vermischt.

Hier einige Bilder vom früheren Zustand dieses renommierten und weit über die Grenzen Sachsens hinaus anerkannten Kurbades, und wie es verfällt...


Dorfmühle Liegau (linkes Gebäude) mit Wehrteich und Mühlgraben, um 1915
Die Dorfmühle Liegau (linkes Gebäude) mit Wehrteich und Mühlgraben, um 1915

Geht man von der Lotzdorfer Straße über die Röderbrücke die Liegauer Straße entlang, so waren es früher neben dem Rittergut besonders die Mühlen, die für das kleine Bauerndorf von Bedeutung waren. Mühlen waren schon immer auf das Engste mit der Einwanderung und Ansiedlung sesshafter Ritter- und Bauerngeschlechter ab dem 13. Jahrhundert in unserer Gegend verbunden. Mahl- und Brettmühlen zu besitzen, war eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Es muss also in Liegau bereits seit seiner Gründung als Waldhufendorf wenigstens eine Mühle gegeben haben. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts existieren Belege für das Vorhandensein des Rittergutes Liegau, dass aus einem Vorwerk hervorgegangen ist. Unstrittig ist, dass es auch in Liegau für den jeweiligen Grundherrn unumgänglich war, für seine eigene Versorgung Mahl- und Schneidemühlen in seiner unmittelbarsten Umgebung zu besitzen. Die „Dorfmühle“ von Liegau lag in der Mitte des kleinen Dorfes, ihr besonders großer Stauteich reichte fast bis unmittelbar an die Dorfstraße und soll mit wunderschönen Rödertalblumen besetzt gewesen sein.

Auf einer Landkarte von 1759 ist die Dorfmühle bereits verzeichnet, bestand also bereits vor dieser Zeit, 1763 wurde sie als Schrot- und Sägemühle des Rittergutes erwähnt. Um 1900 wurde ein Backhaus hinter der Mühle erbaut und ein Laden eingerichtet. 1954 kam der Mühlenbetrieb zum Erliegen, im Jahr 2010/11 wurde die Ruine der Mühle abgerissen. Die zweite bisher bekannte Mühle des Rittergutes war die „Weiße Mühle“ am Ende der früheren Gemarkungsgrenze zu Wachau.

Petri, Isaak Jacob von Petri, Militärkarte 1759
Ausschnitt aus der Militärkarte von 1759 mit 3 Liegauer Mühlen, von Isaak Jacob von Petri s.a. nachfolgendes "Impressum".

Beim Kartenstudium zu dieser Arbeit wurde nun eine Neuheit an Hand einer Karte aus dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) entdeckt. Drei Signaturen, die für Wassermühlen stehen, sind zu dieser Zeit am Röderfluss in Liegau eingezeichnet, also eine Signatur für die Dorfmühle, eine weitere für eine bisher unbekannte Mühle am Rittergut und die Signatur für die Weiße Mühle. Das weist darauf hin, dass offenbar zu dieser Zeit in Liegau nicht nur zwei Mühlen existierten, wie bisher allgemein angenommen wurde, sondern sogar drei Mühlen. Bisher war das unbekannt und in noch keiner zur Verfügung stehenden Niederschrift/Chronik enthalten.

Churfürstentum Sachsen, Königlich-Preußische Militärkarte von 1759 / 60, von I. J. von Petri (Ausschnitt).  Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek; df_dk_0001803 (CC BY-SA 4.0)
Das „Impressum“ der Königlich-Preußischen Militärkarte von 1759 / 60, von I. J. von Petri (Ausschnitt). Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek; df_dk_0001803 (CC BY-SA 4.0)

Es könnte durchaus eine echte Neuheit sein, die auch durch den Umstand an Glaubwürdigkeit gewinnt, wenn man die Entstehungsgeschichte dieser Militärkarten bedenkt. Sie wurde von dem Königlich-Preußischen Kartografen und Major Isaak Jacob von Petri und seinem Stab von Ingenieur-Offizieren angefertigt. Datiert, also gezeichnet, wurde sie in den Jahren 1759 und 1760. Daraus kann man ableiten, dass diese Karte kein Phantasieprodukt von Kartografen der preußischen Armee im Vorfeld der Kriegshandlungen und des Einmarsches der preußischen Armee in Sachsen war, denn Friedrich der Große (1712-1786) hatte bekanntlich die Besetzung Sachsens bereits mehrere Jahre vor Kriegsbeginn geplant. Als die Karte gezeichnet wurde, waren die Preußen „schon lange vor Ort“, sie hatten Sachsen bereits mit Kriegsbeginn 1756/1757 sofort besetzt, und man kann ohne Spekulation davon ausgehen, dass sie sich in ihrem eigenen Interesse gründlich und genau umgeschaut hatten, bevor sie einzeichneten. Dass dies auch so war, verdeutlicht die Legende der obigen „ACCURATE SITUATIONS - CARTE“ - die Preußen waren sehr gründlich.

Ein zusätzlicher Hinweis zu dem Kartenfund könnte nun in den Chronikunterlagen des Heimatvereins Liegau-Augustusbad gefunden worden sein: „In den Jahren 1976-1978 wurden Röderregulierungen in Liegau-Augustusbad vorgenommen und es kam zur Beseitigung von drei Röderwehren, damit verschwanden auch die zu den Mühlen führenden Mühlgräben“. Da das Röderwehr mit Mühlgraben an der Grundmühle noch vorhanden und zu sehen ist, könnte es sich bei den entfernten 3 Wehranlagen durchaus um 3 unmittelbar einst zum Dorf Liegau gehörige Anlagen gehandelt haben. Damit könnte sich die bisherige Vermutung nochmals bestätigen: Drei einstmals vorhandene Wehranlagen deuten darauf hin, dass auch drei Mühlen im Dorf Liegau vorhanden gewesen sein könnten, wie auf der Karte von 1759/1760 eingezeichnet wurde.

Die Liegauer Dorfstraße führt weiter, immer in Nähe des Flussverlaufes, am ehemaligen Rittergut vorbei. Für Liegau (früher auch „Lygau, Ligawe, Legow, Legaw“) bei Radeberg hatte 1351 ein Heinrich von Taubenheim „6 Talente Einkünfte, ebenso der Schulzen und einen Fischteich“. Die Herren und Herrschaften wechselten, damit auch die Zugehörigkeiten, wobei Liegau in den ersten 300 Jahren seines Bestehens nicht der Sitz des jeweiligen Herrengeschlechtes war. Gehörte Liegau zuerst fast 150 Jahre zu Seifersdorf, so wurden „Gut, Dorf Liegau mit dem Vorwerk“ 1579 von Georg von Haugwitz an Johann Moritz von Schönfeld auf Wachau verkauft.

Johann Georg Herrmann, Besitzer Rittergut Liegau, Foto ca. 1875
Johann Georg Herrmann, Besitzer Rittergut Liegau, Foto ca. 1875

Es folgten, seit der Ersterwähnung eines Landgrafen Gero von Balden als Herr von Liegau, die Herren von Knobelsdorf, von Gottschalk, von Wallwitz, von Schönberg.

1835 (1837?) erwarb Johann Georg Herrmann als erster „Nichtadliger Besitzer“ dieses Erb- und Allodial-Rittergut. Herrmann war geschäftstüchtig und verstand es, das vorhandene Potential des Kurbetriebes im Augustusbad für seine eigenen Ziele zu nutzen, indem er mit Veranstaltungen in seinem Rittergut Liegau warb, wie der Eröffnung eines Tanzsalons oder zahlreicher Aktivitäten, wie „Dienstags und Freytags geht man nach dem Dorfe Liegau in die Buttermilch“, bis hin zu Karpfenschmaus und Wildschweinessen auf seinem Rittergutshof. Das alles war bei seinem großen Gut kein Problem, denn bis zum Jahr 1876 gehörte zum Rittergut Liegau auch ein eigener Saugarten am Nordrand der Dresdner Heide / Nähe Nachtflügel.

Als 1841 auf einer Moorwiese des Rittergutsgeländes, in einer Senke unterhalb der später erbauten Forellenschänke, eine Quelle mit eisenhaltigem Wasser entdeckt und gefasst wurde, war das nach anfänglichem Zögern von Herrmann der Anlass für den Bau des „Herrmannbades“, mit einem Badehaus hinter dem Rittergut, unmittelbar an der Röder, das 1857 eröffnet wurde. Das heilkräftige Wasser wurde von der Quellwiese in großen grünen Holzfässern auf Pferdefuhrwerken zum Badehaus am Rittergut gefahren und in die Bottiche und großen Wannen abgefüllt. In den folgenden Jahren kam es durch die stetig steigenden Gästezahlen zu umfassenden Erweiterungen und Verbesserungen der Kuranlage, Gebäude zur Unterbringung der Badegäste wurden errichtet und Parkanlagen geschaffen. Das harte, mineralhaltige Quellwasser wurde mit weichem Röderwasser für Kuren vermischt, woran man erkennen kann, welch gute Wasserqualität der Röderfluss damals besaß. Die Leitung des Bades unterstand dem Radeberger Badearzt Dr. med. Böhme. Das Stahl- und Moorbad Herrmannbad gehörte von 1857-1914 zum Rittergut und erfreute sich mit seiner Lage, eingebettet in die herrliche grüne und romantische Umgebung des Rödertales, zunehmender Beliebtheit. Für den Aufenthalt der Kur- und Badegäste entstanden in dieser Zeit auch die vielen Landhäuser und Villen in Liegau, zumeist in herrlichster Hanglage.

Liegau, Kleinliegau, Herrmannbad, Forellenschänke, Grundmühle, Weiße Mühle, in Meinhold-Karte 1916
Ausschnitt aus der „Meinhold-Karte“ 1916. Das Herrmannbad (rechts, rote Markierung), die Kaskade von Forellen-Teichen (Grundmühlenbach, links) um den „Forellen-Wald“ und die „Harthe“ nördlich der Grundmühle sind gut sichtbar.
Forellenschänke Liegau 1929. Rechts dahinter der  „Forellenwald“ mit dem Beginn der Teich-Kaskade.
Die Forellenschänke 1929. Rechts dahinter der „Forellenwald“ mit dem Beginn der Teich-Kaskade. Die Langebrücker Straße war noch unbefestiger Fahrweg.

Ab 1878 wurde Baron Carl Victor von Streit Eigentümer von Rittergut und Bad, verkaufte jedoch bald beträchtliches Rittergutsgelände an das Rittergut Wachau, wie die rechts der Röder in Richtung Grundmühle steil aufsteigende bewaldete „Harthe“, die sich die Wachauer Schlossherren als Wildgehege einrichteten. Als „Harthe“ wurde in früheren Zeiten ein steil abfallender Höhenzug mit bewaldeten Hängen am Rande von Flussauen und Flusstälern bezeichnet. Auch das Flurstück der „Frühmesse“ wurde an die Innere Mission zur Erbauung einer Epileptischen Anstalt verkauft. Unterhalb dieser Hochfläche waren an dem feuchten Felsabhang Sammelbecken für die Wasserzuleitung für das Rittergut erbaut worden, mit Röhrensystemen, die unter der Röder hindurch nach dem linken Ufer zum Bad und Rittergut gelegt worden waren.

Herrmannbad Liegau, Kurbad Liegau, 1857 vom Rittergutsbesitzer Johann Georg Herrmann gegründet
Herrmannbad Liegau, 1857 vom Rittergutsbesitzer Johann Georg Herrmann gegründet

Das "Curbad Liegau" bzw. "Herrmannbad" an der Röder, auch kurz "Bad Liegau" genannt, erlebte in dieser Zeit seine Glanzzeiten mit Konzertgarten und herrlichen Garten- und Parkanlagen. Im Jahr 1889 wurden Rittergut und Bad erneut verkauft. Der neue Eigentümer war der Landwirt Walter Kürsten, der die Forellenzucht fördern wollte und dazu am Grundmühlenbach in Richtung Röder an die 30 Teiche errichten und die Forellenschänke erbauen ließ (siehe obige Karte und Bild).

Nach Kürstens Ableben und mehreren Besitzerwechseln und Teilverkäufen, die auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Situation nach dem Ersten Weltkrieg erforderlich wurden, kam es durch die weitere katastrophale Notlage der Landwirtschaft zunehmend zu Überschuldungen von Rittergütern und großen Objekten.

Diesen Umstand der Not machten sich skrupellose Terrainspekulanten zunutze, indem diese „Hyänen des Grundstücksmarktes“ die Not der Landwirtschaft ausnutzten, den gesamten Besitz weit unter dem Wert erwarben, durch Landmesser zergliedern ließen, um dann den Verkauf vor Ort, unter scheinbar günstigsten Abzahlungsbedingungen, vorzunehmen. Der Regierungsbaurat E. Krüger / Dresden schildert 1930 solches Vorgehen besonders: „…als krassestes Beispiel für diesen Spekulationsverkauf ist die Ausschlachtung des Rittergutes in Bad Liegau bei Radeberg durch die Landparzellierungs-Aktiengesellschaft Berlin zu sehen.“

Bereits im Jahr 1929 wurden die letzten Flächen des Rittergutes Liegau mit jeglichem Grund und Boden an die LAPAG Berlin veräußert. Diese parzellierte das Feld-, Wiesen- und Waldgelände des ehemaligen Rittergutsbesitzes mit einer beispiellosen Grundstücks-Zergliederung und Geländeausschlachtung. Dieses sich von den Ausläufern der Dresdner Heide an der Langebrücker Flurgrenze bis zum Rödertal hinziehende 85 Hektar große Gelände, das landschaftlich sehr schön war, wurde für 12 Pfennige pro Quadratmeter erworben, in Parzellen von ca. 1.000 Quadratmeter Größe zergliedert und für bis zu 2,50 Mark pro Quadratmeter wieder verkauft. Die Berliner LAPAG hat das gesamte 85 Hektar große Gelände für ca. 102.000 Mark aufgekauft und nach der Parzellierung (bei einem Durchschnittspreis-Verkaufspreis von 2,00 Mark/qm)  für etwa 1,7 Millionen Mark weiterverkauft, also einen Spekulations-Gewinn von etwa 1,6 Millionen Mark erzielt!

LAPAG Berlin: Teil des ehemaligen Ritterguts-Geländes vor der Parzellierung durch die LAPAG
Teil des von der LAPAG Berlin erworbenen ehemaligen Ritterguts-Geländes vor der Parzellierung. Links der Fahrweg vom Dorf zur Forellenschänke (spätere Langebrücker Straße). In der mittigen Gelände-Mulde ist das "Familienbad" erbaut worden. Foto: Quelle 7.

Wie sich das heimatliche Landschaftsbild dadurch veränderte, wurde in dem gleichen Beitrag geschildert: „Auch hierfür ist Liegau das bezeichnendste Beispiel! Der Weg durch dieses Gelände von Langebrück über die Forellenschänke nach dem bekannten Seifersdorfer Tal gehörte zu den beliebtesten Spaziergängen in Dresdens Umgebung, Abseits vom Verkehr bot der Weg eine Fülle reizvollster Landschaftsbilder. Das Auge konnte ausruhen im Blick auf sich weithin dehnende, grünende und reifende Felder, die unterbrochen wurden von den das Rödertal einsäumenden Waldteilen. Und wie es jetzt dort aussieht, ist aus den Abbildungen zu ersehen“.

LAPAG - Landesparzellierungs-AG Berlin in Liegau - Dresdner Rundschau vom 23.11.1929
Die LAPAG in Liegau - Dresdner Rundschau vom 23.11.1929

In der „Dresdner Rundschau“ vom 23. November 1929 wird diese Verkaufsaktion unter der Überschrift „Die bedrohte Liegauer Naturschönheit und der zu spät erwachte Heimatschutz als Ausgeburt einer gewissenlosen Spekulation durch eine landfremde Gesellschaft“ betitelt. Der geäußerte Wunsch, dass „diese Lapag wieder aus Sachsen hinauskomplimentiert werde, denn in Preußens (…) Streusandbüchse sei noch genügend Land für solchen Spekulationshunger vorhanden“, ging natürlich nicht auf.

Der „Landesverein Sächsischer Heimatschutz“ (Quelle 7) schätzte im Jahre 1930 besorgt ein, dass die durch die Lapag veranlasste Zerstückelung bisher land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen des ehemaligen Rittergutsgeländes in Bad Liegau, ein Beispiel für die Besiedlung ohne jegliches Konzept durch diese Terrainspekulanten darstellte. Bisherige reizvolle Landschaftsbilder wurden zerstört, Wald unsachgemäß abgeholzt, Besiedlung ohne jegliche Konzeption zugelassen und auch von einem geordneten Straßenbau war vorerst nichts spürbar. Das Resümee lautete: „Allenthalben ein wüstes Bild größter Unordnung, wie es schlimmer nicht gedacht werden kann“. Der Landverkauf an Privatpersonen, mit verlockenden Anzahlungen von „nur“ 100 Mk. pro Parzelle, war nicht mehr aufzuhalten. Dorf Liegau erweiterte sich um den entstehenden „Hofeberg“ und die heutige „Siedlung“.

Gleichzeitig erbaute die Berliner LAPAG 1929 als Betreiber ein großes "Familienbad" als Freibad, mit vielen kulturellen Angeboten. Es bestand neben dem einfacheren, 1922 an der Röder eröffneten Flussbad, bis kurz nach 1945.

Der „Wehrteich“ vor dem Mühlgraben zur Weißen Mühle, am Ende des großen Röder-Bogens um die „Scheibe“. Links verläuft heute die Kurhausstraße, dahinter links der „Weinberg“. Um 1905.
Der „Wehrteich“ vor dem Mühlgraben zur Weißen Mühle, am Ende des großen Röder-Bogens um die „Scheibe“. Links verläuft heute die Kurhausstraße, dahinter links der „Weinberg“. Um 1905.

Der weitere Weg auf der Dorfstraße an der Röder entlang führt vorbei am Rittergut und der sogenannten „Scheibe“, einem ehemals fast ganz vom Röderfluss umströmten Wiesengelände. Früher verlief der Weg entlang des schönen Stauteiches der Röder, als schmaler Pfad zwischen dem Mühlgraben zur Weißen Mühle und dem „Fuß des Weinbergs“, heute Kurhausstraße (s. Foto Wehranlage). Von hier aus erreichte man die Röderbrücke und die nach Wachau führende Straße. Hier befinden sich rechts der Röder die Häuser von Kleinwachau, das 1964 zu Liegau-Augustusbad kam. Gegenüber, linksseitig, befand sich bis 1922 der Liegauer Ortsteil Klein-Liegau.

Weiße Mühle Liegau. Schieber für den Mühlgraben am Wehrteich.

Zum linken Bild:

Unmittelbar hinter dem heutigen Parkplatz Kurhausstraße befanden sich der Wehrteich und die 2 getrennt regulierbaren Schieber (mit je 1 Schnecken-Getriebe mit Zahnstangen) des Obergraben-Wehres der ehemaligen Weißen Mühle. Teich, Mühlgraben und umgebendes Gelände sind bis zur Höhe der Antriebswellen aufgefüllt und eingeebnet worden, nur die Zahnstangen der beiden Schieber ragen noch heraus. Der Wasserspiegel des Wehrteiches mit dem Obergraben-Zulauf befand sich auf gleichem Niveau wie der jetzige Röder-Pegel, also ca. 1 m unter dem Antrieb

Quarzglimmer-Steinbruch rechts der Wachauer Straße Liegau, Ausläufer des Tannengrund-Steilhanges
Quarzglimmer-Steinbruch rechts der Wachauer Straße Liegau, Ausläufer des Tannengrund-Steilhanges

Hinter den Häusern von Kleinwachau erheben sich unmittelbar, wiederum rechtsseitig als Höhenbegrenzung, die steil aufsteigenden Kanten der Lausitzer Hochfläche mit ihrem grünen Bewuchs. Es handelt sich um die Ausläufer des verlängerten Steilhanges vom Tannengrund. In diesem Steilhang sind zwei große Steinbrüche in den Quarzglimmerfelsen eingeschnitten (Bild rechts).

 

Linksseitig der Wachauer Straße erreicht man die ehemalige „Weiße Mühle“, auch als „Niedermühle“ bezeichnet. Ihre Erbauung wird um 1572 vermutet. Akten aus den Jahren 1763 und 1774 belegen, dass sie ebenfalls zum Vorwerk / Rittergut Liegau gehörte. In diesen Unterlagen wird sie als oberschlächtige Mahlmühle, Brettschneidemühle, Schrot- und Sägemühle bezeichnet.

Vorder- und Rückseite von einem der beiden Grenzsteine an der Wachauer Straße.
Vorder- und Rückseite von einem der beiden Grenzsteine an der Wachauer Straße.

Ihr Standort lag früher abgelegen vom Dorf Liegau, am Ende der Liegauer Flur, unmittelbar an der Flurgrenze zu Wachau. Erst durch die Entstehung der Siedlung Klein-Liegau wurde die Mühle mit dem Dorf Liegau verbunden. Nach einem Großbrand 1904 erwarb das Gelände der Weißen Mühle der Ingenieur Artur Seidemann und errichtete eine moderne Fabrikanlage. Er gründete eine Maschinenfabrik, dann ein Elektrizitätswerk, in dem er mit Turbinen die Wasserkraft nutzte und den Ort ab 1910 mit Licht- und Kraftstrom versorgte. Ab 1935 entstand unter Herbert Hess eine Gummiwarenfabrik, nach 1945 erfolgte die Verstaatlichung, und seit 1990 befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Weißen Mühle die Kunststoff- und Elasttechnik GmbH (KET).

 

 

Das Rödertal mit dem Grundmühlenbachtal

Unmittelbar hinter dem Fabrikgelände der ehemaligen Weißen Mühle geht ein weiterer Talweg, immer entlang der Großen Röder, zur Grundmühle und in das Seifersdorfer Tal. Ein Pfad, wie in einer Gebirgslandschaft, der oberhalb des steilabfallenden Hanges hoch über der Großen Röder verläuft, die hier in einem breiten Flussbett träge dahinfließt, bis der Weg sich senkt und mit dem Fluss in der Talsenke die Grundmühle erreicht.

„Felsklettern im Augustusbad“ 1930. Quelle: Heimatverein Liegau-Augustusbad
„Felsklettern im Augustusbad“ 1930. Quelle: Heimatverein Liegau-Augustusbad

Rechtsseitig des Weges sind wieder die steilen Hänge und schroffen Wände der Lausitzer Hochfläche mit zwei Steinbrüchen zu sehen. Bei dem ersteren fallen die glatten, schrägen Kluftflächen der Grauwacke auf. Auf einem aktuellen Foto sieht man die Besonderheit des Gesteins, mit seinen scharfen Klüften, flachen und steilen Fugen, die jene typischen Formen der Lausitzer Masse mit ihren kubischen bis plattigen Körpern darstellen. Diese Steinbrüche der Grauwacke mit ihren Klüften wurden bereits Anfang des 20. Jhrhunderts für sportliche Aktivitäten rund um Liegau genutzt und waren beliebte Kletter- und Übungsfelsen für Bergsteiger, wie ein Foto aus dem Jahr 1930 anschaulich beweist.

An dem zweiten Steinbruch kann man in Teilen der Eruptivmasse auch mittelkörniges Biotitgranit und Ganggesteine entdecken, die stark mit Eisenkiesen durchdrungen sind. Diese Steinbrüche vermitteln uns interessante geologische Einblicke in unsere Erdgeschichte.

Echte Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata) in ihrer ursprünglichen Pracht
Echte Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata) in ihrer ursprünglichen Pracht

Das gesamte Tal und die Höhen sind begrünt mit einem uralten Eichen-Hainbuchenwald. Charakteristisch ist wiederum ein alter Baumbestand an Laub-Gehölzen mit Stiel- und Trauben-Eichen, Eschen, Hain-Buchen, Rot-Buchen, Ulmen und Schwarz-Erlen, unterbrochen durch Auwiesen im Flussbereich. In älteren Niederschriften wird die Schönheit der Rödertalblumen, dieses aus Nordamerika stammenden Sonnenhutes, an den Uferböschungen der Röder erwähnt, die einst an dem gesamten Röderlauf verbreitet waren. Heute findet man nur noch vereinzelt einen größeren Rest-Bestand.

Grundmühle Liegau, die alte Röderbrücke. Dahinter das Bäckerhaus.
Grundmühle Liegau mit der alten Röderbrücke. Dahinter das Bäckerhaus.

Ungefähr 150 Meter vor der Grundmühle sind die Reste des Grundmühlenwehres an der Röder zu finden, wo auch der Abzweig des Mühlgrabens noch zu sehen ist. Der weitere Weg führt an der Grundmühle als „Eingangstor“ vorbei ins Seifersdorfer Tal. Sowohl der Radeberger Rundwanderweg als auch der Heide- und Talwanderweg führen über die Steinbrücke der Röder durch das Mühlengelände hindurch.

In unmittelbarer Nähe der Grundmühle befindet sich das Grundmühlenbachtal. Hier endet der Lauf des Grundmühlenbachs, der seinen Anfang „aus zwei Quellaustritten in Liegau nahe der Radeberger Straße und nahe dem Angelteich an der Langebrücker Straße“ nimmt. Von diesen Quellen gespeist, durchläuft der Bach hinter der Forellenschänke eine „Kette“ hintereinander angelegter und angestauter Teiche, um schließlich im Grundmühlenbachtal, linksseitig der Grundmühle, über loses Geröll in die Röder zu münden.

Grundmühle Liegau, um 1910, Grundmühle Wachau - früherer Name,
Grundmühle Liegau, der gesamte Gebäude-Komplex um 1910 (Bildbeschreibung s. Text)

Die Grundmühle um 1910. Links das Mühlengebäude, Wohn- und Gasthaus, davor die Röderbrücke, i. d. Mitte das Bäckerhaus, ganz rechts das 1985 abgerissenen „Jägerhäusel“ (das Fundament war danach „Tanzboden“). Dahinter die hohe Abbruchkante der „Harthe“, auf der sich das Wildgehege befand. Der heute verlandete Mühlgraben verläuft hinter den Gebäuden.

Grundmühle Liegau. J.G. Arnoldts Sohn Karl Gottlieb Arnoldt ließ 1826 das Wohnhaus neu errichten
J.G. Arnoldts Sohn Karl Gottlieb Arnoldt ließ 1826 das Wohnhaus neu errichten

Die Grundmühle liegt am rechten Ufer der Großen Röder und war einst eine Wassermühle. Der weiterführende Weg ins Seifersdorfer Tal wird eingeengt durch den Mühlgraben und die Mühlengebäude auf der linken Seite, rechtsseitig wird er wieder begrenzt durch die steilen Hänge der Lausitzer Hochfläche. 1793 erwarb der Müller Johann Gottlieb Arnoldt die Grundmühle. Diese hatte damals zwei Mahlgänge, war Brettschneide- und Ölmühle, besaß einen Kuhstall und eine Scheune. Arnoldt ließ auf dem Mühlengelände die steinerne Röderbrücke und 1802 ein Bäckerhaus erbauen.

Grundmühle Liegau, Bäckerhaus. Türstein des 1802 von Johann Gottlieb Arnoldt erbauten Bäckerhauses
Türstein des 1802 von Johann Gottlieb Arnoldt erbauten Bäckerhauses

Auch die nachfolgenden Generationen der Arnoldts erweiterten die Mühlentechnik mit einer Sägemühle und vielfachen Bauaktivitäten. Ab 1864 wurde die Grundmühle, neben ihrem Betrieb als Mahl- und Sägemühle und der zugehörigen Bäckerei, zusehends Ausflugslokalität für die Liegauer Badegäste und Radeberger Einwohner. Sie erhielt im Sprachgebrauch den Namen „Arnoldtsmühle“.

1889 kaufte sie der Wachauer Schlossherr G. Kühne und verpachtete sie. Die Grundmühle kam damit unter die Verwaltung von Wachau, wurde 1953 gemeindeeigenes Grundstück von Wachau, und 1964 erfolgte die Wiedereingliederung nach Liegau-Augustusbad. Die Grundmühle wurde in den nächsten Jahrzehnten zusehends, durch die sie umgebende wunderschöne Kulisse der Tallandschaft an der Röder und durch das Engagement verschiedener Pächter, zu einem beliebten Ausflugsziel mit gastronomischer Einrichtung. Zwei gemütliche kleine Gasträume, die alte Mühlstube der Mahlmühle und eine Gaststube vermittelten Geschichte, zum einen mit einer Sammlung wertvoller, historischer Zinn-Gegenstände und historischer Bierhumpen, zum anderen über die Mühlengeschichte und das Seifersdorfer Tal mit einer Sammlung alter historischer Kupferstiche, Wandsprüche, Ölgemälde und einer Geweihsammlung.

Die beiden Stein-Putten an der Grundmühle, Aufnahme / Zustand 2016
Die beiden Stein-Putten an der Grundmühle, Aufnahme / Zustand 2016

Auch die Außenanlage der Grundmühle stellte ein gepflegtes Areal dar, vor dem Mühlengebäude präsentierten sich als Sammlung alte Mahlsteine, an der Giebelseite war eine große Sonnenuhr zu bewundern, am Bäckerhaus lud unter hohen schattigen Bäumen der kleine bewirtschaftete Biergarten zum Verweilen ein. Eingerahmt von zwei Steinputten und mit einer kleinen gemauerten Freilichtbühne für Veranstaltungen, war der Garten bis 1989, ebenso wie der gesamte Gebäudekomplex, ein gepflegtes Kleinod. Mit der sog. „Wende“ wurde der Gaststättenbetrieb eingestellt. Seit 1993 wird das gesamte Areal der Grundmühle privat genutzt.

 

 

Das Seifersdorfer Tal – einzigartige historische Kulturlandschaft im Rödertal

Die Grundmühle ist von Liegau-Augustusbad aus Zugang zum Seifersdorfer Tal, das sich hier unmittelbar anschließt. Der weitere Weg führt entlang der Röder zur Marienmühle. Hier hat sich ein Biotop erhalten, wo man noch eine Vogelwelt vorfindet und beobachten kann, die mit Fischreiher, verschiedenen Spechtarten, Eisvogel und Wasseramsel neben vielen anderen Waldvögeln, eine Seltenheit darstellt. Wenn man auf dem Weg den aus dem rechtsseitigen Höhen herabkommenden Wasserlauf überschritten hat, der die Grenze zwischen Wachauer und Seifersdorfer Flur markiert, kommt man in den im englischen Stil gestalteten Naturpark. Das Tal hat sich hier tief im Quarzglimmerfels eingeschnitten, und der Röderfluss verändert ständig seine Fließgeschwindigkeit, zwischen langsam und träge in den Auwiesen, schäumend und gichtig zwischen Felsen und im steinigen Flussbett.

Brücke vor dem Wehr der Marienmühle
Brücke vor dem Wehr der Marienmühle

Der Naturpark Seifersdorfer Tal entstand in der Zeit von 1781 bis 1831 durch die Seifersdorfer Schlossherrschaft, vorrangig durch die Schlossherrin, Gräfin Christina (Tina) von Brühl (1756-1816). Ein bewusst gestalteter Landschaftsgarten im englischen Stil unter dem Einfluss und Geschmack der romantischen Strömungen im sogenannten „Zeitalter der Empfindsamkeit“. Zu seiner Zeit bereits in der Entstehungsphase hoch gelobt, aber auch kritisiert.

Die Marienmühle. Links das Denkmal für Leopold von Braunschweig.
Die Marienmühle. Links das Denkmal für Leopold von Braunschweig.

So schreibt 1795 Schiller an Goethe: „Jeder von Geschmack, der diese Anlage in Augenschein genommen, wird sich nicht enthalten können, eine Empfindsamkeit, welche Sittensprüche, auf eigenen Täfelchen geschrieben, an die Bäume hängt, für affektiert und einen Geschmack, der Moscheen und griechische Tempel in buntem Gemische durcheinander wirft, für barbarisch zu erklären.“ Goethe antwortete ihm ebenso wenig schmeichelhaft am 26. Dezember 1795 aus Weimar: „Die Abbildung des Seifersdorfer Unwesens kenn‘ ich, Sie kennen ja wohl auch die Trude, die es bewohnt und die es so ausgeschmückt hat. Wielands Empfang und Bewirthung daselbst im Sommer 1794 gäbe eine vortreffliche Geschichte, wenn er sie aufsetzen wollte wie er sie erzählt.“ An diesen nicht sehr schmeichelhaften Beschreibungen ist zu ersehen, dass auch unsere großen Dichter und Denker „nur Menschen“ waren. Bedenkt man, dass Gräfin Tina von Brühl eine große Verehrerin des Weimarer Musenhofes um Herzogin Anna Amalia war, Tal und Schloss mit deren Büste und denen von Wieland, Goethe, Schiller schmückte, ist diese Einschätzung nicht sehr freundlich.

Ganz anders klingt es bei Zeitgenossen der Klassiker, wie dem Schriftsteller Jean Paul, der von dem „himmlischen Seifersdorfer Tal“ schwärmte, als er es besuchte und von „einem Vorhimmel zwischen Vorhöllen“. Was hier an Meinungsverschiedenheiten offenbar wird, ist die Zeit der Wende von der Klassik zur Romantik – Gegensätze treffen aufeinander, unterschiedliche Generationen und ihre Ansichten. Tina von Brühl hatte ihren Naturgarten mit zahlreichen Denkmalen und Erinnerungsstätten beiderseits der Röder, im Talgrund und auf den dafür geschaffenen Höhenwegen bis weit über die Marienmühle hinaus, geschmückt. Sie scheint eine durchaus moderne Frau gewesen zu sein, denn in der „Zeitung für die elegante Welt“ erfährt man:  „Man zeigte uns hier den Ort (im Tal), wo beständig Gläser, Teller und aller Tischzubehör für Fremde, die hier ein ländliches Mahl von selbst mitgebrachten Speisen und Getränken einnehmen wollen, unter dem Beschluß einer dazu bestellten Frau aufbewahrt werden.“ Diese unkomplizierte Gastfreundschaft machte das Tal noch reizvoller, auch für Badegäste des Radeberger Augustusbades und viele Dresdner Besucher. Wege und Brücken über die Röder führten zu Denkmalen, Denksteinen, Tempeln, künstlich gestalteten Steingrotten, Stein- und Moosbänken, Gewässern, Quellen, Höhlen und Gestaltungen von Baumgruppen und großen Wiesenabschnitten, die dem Tal, durch das die Große Röder fließt, sein einmaliges Gepräge geben, bis heute. Eine Gestaltung großartiger Natur, mit großen und zum Teil auch seltenen Bäumen und einer abwechslungsreichen Tal-Landschaft, die durch Brücken rechts- und linksseitig der Röder begehbar ist.

Nach dem Erreichen der von der Seifersdorfer Höhe kommenden Straße, die nach Schönborn führt, werden linksseitig das Wehr der Marienmühle und der Mühlgraben sichtbar, auf der rechtsseitigen steilen Felsseite befindet sich auf der Höhe die Wallanlage eines nachgewiesenen „Burgberges“, wo auch Scherbenfunde geborgen wurden und auf dem die abgestorbenen Reste der auf weit über 800 Jahre geschätzten „Hermannseiche“ stehen.

Geradeaus geht die Straße auf die „Marienmühle“ zu, die einst die Obermühle von Seifersdorf war, gleichzeitig Gaststätte und als Mahlmühle des Rittergutes bis 1945 betrieben wurde. Die Marienmühle ist heute noch eine gern besuchte Gastwirtschaft.

Diese Mühle ist auch aufgrund ihrer Lage am Verbindungsweg Seifersdorf - Schönborn, der zentrale Punkt im Seifersdorfer Tal. Der sehr gepflegte Zustand von Gebäude und Umfeld, die sehr gut erhaltene Wehranlage und der Mühlgraben machen die Mühle zu einem Anziehungspunkt und auch Ausgangspunkt für Wanderungen.  Auf dem rechten Bild ist das Brühl'sche Wappen über dem Eingangsportal der Marienmühle zu sehen (Initialen C. Gr. v. B.; d.h. Carl Graf von Brühl, 1772-1837)

Bereits 1808 wurde in der „Zeitung für die elegante Welt“ festgestellt: „Das Seifersdorfer Thal ist längst ein klassischer Boden geworden. In idyllischer Umkränzung zwischen Laubdächern, Grotten und Felsenwänden mitten in einer üppigen, selbst in der brennendsten Sonnenglut noch frischen und kühlen Vegetazion, längs der malerisch sich hinwindenden Reder, die mit geschäftigen  Mühlen und plätschernden Wasserabfällen belebt ist, von allen Seiten so lieblich“.

Die "Wiese der ländlichen Freuden" (Sängerwiese) unterhalb der Marienmühle
Die "Wiese der ländlichen Freuden" (Sängerwiese) unterhalb der Marienmühle
Röder-Knick nach der Marienmühle
Röder-Knick nach der Marienmühle

An der Marienmühle vorbei wechselt man über die dahinterliegende Röderbrücke auf die linke Röderseite und erreicht die große „Wiese der ländlichen Freuden“, einstmals die Tanzwiese bei ländlichen Festen der Schlossherrschaft.

Der Weg führt weiter linksseitig der Röder auf den Talhang zu. Ein beschwerliches und steiniges Wegstück hoch über der Röder, bis der Weg wieder über steil ins Tal abfallenden Felsen zur „Niedermühle“ führt. Diese fand bereits 1532 Erwähnung und gehörte ebenso wie die Obermühle / Marienmühle zu Seifersdorf. Beide Mühlen liegen im Tal der Großen Röder an Punkten, wo Fahrstraßen das Tal durchschneiden und das Seifersdorfer Mittel- oder Oberdorf mit Schönborn verbinden, und beide Mühlen gehörten zum Rittergut Seifersdorf. Unter Jobst von Haugwitz wurde die Niedermühle an den Müller Blasius Precke verkauft, während die Obermühle immer im herrschaftlichen Besitz verblieb und mit dem Seifersdorfer Rittergut eng verbunden war.

In der Niedermühle fand ein ständiger Besitzerwechsel statt. 1868 ist der Mühlenbetrieb als Mehlmühle eingestellt worden. Der Dresdner Unternehmer Robert Sputh (1843-1913) erwarb 1872 die Mühle und baute sie zu einer Holzschliff- und Papierfabrik um. Später wurde aus ihr ein Elektrizitätswerk und die „Maschinenfabrik Rödertal“, ab 1936 ein Reichsarbeitsdienstlager, BDM-Schule und die "Kreisschule der NSDAP / Kreis Dresden". Ab Ende 1940 sind in der zum "Umsiedlungslager Gau Sachsen Nr. 87, Seifersdorf bei Radeberg" umgestalteten Kreisschule etwa 200 Bessarabiendeutsche einquartiert worden, die im Rahmen der Umsiedlungsaktionen "Heim ins Reich" mit dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Paktes von 1939 wieder im Deutschen Reich angesiedelt werden sollten. Später folgten weitere Gruppen. Ab 1945 diente die Mühle vorübergehend zur Flüchtlingsunterbringung der Kriegsvertriebenen aus den sogenannten Ostgebieten.

Echte Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata) im Schlosspark Hermsdorf
Echte Rödertalblumen (Schlitzblättriger Sonnenhut; Rudbeckia laciniata) im Schlosspark Hermsdorf

An der Niedermühle geht über die Brücke der Straßenverlauf vom unteren Seifersdorf nach Schönborn. Der weitere Talweg, immer noch inmitten steiniger bewaldeter Hänge, weist jetzt eine andere Gesteinsart auf: feinkörnigen Granit. Hier endet das Seifersdorfer Tal. Der weitere Weg an der Röder führt vorbei an der Schönborner Kunathmühle, weiter über die Grünberger Mühle bis nach Hermsdorf und auf einem Fußweg durch die Röderaue zum Hermsdorfer Park mit dem Wasserschloss Hermsdorf.

 

In dieser gesamten Region, deren besondere Gegebenheiten von den typischen Talwasserscheiden unserer Region herrühren und die von der Großen und der Schwarzen Röder, der Orla und anderen Zuflüssen ausgehen, die sich tief an steilwandigen Hängen eingeschnitten haben und entlang an Talwänden, natürlichen Felsbildungen und Steinbrüchen fließen, ist eine einmalig schöne Landschaft entstanden.

In diesem Naturensemble nimmt das Seifersdorfer Tal mit seinem Landschaftsgarten und Denkmalen noch zusätzlich einen besonderen Stellenwert ein und erlebt gegenwärtig eine erneute „Renaissance“ an Beliebtheit bei allen Naturliebhabern. Ganz besonders lieben auch die Freunde des Pferdesports diese einmalige Natur und haben das Rödertal um Liegau für sich entdeckt und „in Besitz“ genommen. Ob auf dem Pferd als Reiter zu erleben, oder das Pferd am Halfter führend, mit ihm gemeinsam spazierengehend, das Kleinkind in der Babytrage auf dem Rücken tragend, bereichern sie dieses romantische Tal und erfreuen mit ihrem treuen Gefährten auch die Wanderer.

Eine neue Zeit, mit einem neuen Verständnis und Bewusstsein für die Schönheiten der uns von unseren Vorvätern übergebenen Natur, scheint wieder Einzug zu halten. Es kann einem in diesem Zusammenhang nur Goethes Zitat einfallen:

„Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen“.

 

Seit 1960 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, ist das Seifersdorfer Tal seit 2006 Teil des Europäischen Schutzgebietes Natura 2000. Damit gehört es zu dem insgesamt 770 ha großen Fauna-Flora-Habitat (FFH-Schutzgebiet) Nr.4848-301 „Rödertal oberhalb Medingen“ und unterliegt damit strengen natur- und vogelschutzrechtlichen Bestimmungen.

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Renate Schönfuß-Krause

Lotzdorf-Historikerin

31. August 2018

 

Quellen:

1.     Prof. Dr. Theodor Arldt: Das Rödergebiet um Radeberg - Seifersdorfer Tal.
(Unser kleines Wanderheft. Heft 36). VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1955

 2.     Prof. Dr. Theodor Arldt: Radeberg und das Gebiet der Dresdner Heide und des
Röderflusses - Ein Heimatbuch. Unveröffentlichtes Manuskript.
Museum Schloss Klippenstein Radeberg 1960

 3.     Wilfried Lumpe: Verstummte Mühlen an unserer Großen Röder, Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte. Nr. 14/2016 und Nr. 15/2017.
Hrsg.: Große Kreisstadt Radeberg in Zusammenarbeit mit der AG Stadtgeschichte

 4.     Dresdner Heide - Pillnitz - Radeberger Land. Reihe Werte unserer Heimat. Band 27. Akademie-Verlag, Berlin 1976

 5.     Stadtverwaltung Radeberg: Programm „Die Grüne Stadt Radeberg“ - Präambel, 
Fassg. v. Februar 2017

 6.     Stadtverwaltung Radeberg: Landschaftsplan Radeberg, Fassg. Febr. 2004, Abschnitt 5.5.2.2.

 7.     Landesverein Sächsischer Heimatschutz Dresden, Mitteilg. Heft 5 bis 6, Band XIX 1930.

 8.     Karte „Dresdner Heide und Seifersdorfer Tal“. VEB Bibliographisches Institut Leipzig. Liz. Nr. K2. 1954

 9.     Heimatverein Liegau-Augustusbad e.V.

 10.  Bernd Lichtenberger / Journalist und Fotograf: Fotosammlung Rödertal, mit Dank für die Veröffentlichungsgenehmigung

 11.  E. Eichler, K. Hengst, J. Udolph: Namenskunde und geschichtliche Landeskunde Ostmitteldeutschlands, Universitätsverlag Leipzig, Neuaufl.2004

 12.  E. Eichler, H. Walther (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Sächsischen Geschichte, Band 21. Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen. Akademie Verlag GmbH Berlin 2001

 13.  Wikipedia: Liegau Augustusbad, Grundmühle (Radeberg)

 14.  Gilbert, Ludewig Wilhelm: Handbuch für Reisende durch Deutschland, Erster Theil. Leipzig im Schwickertschen Verlage 1791 https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN675900867&PHYSID=PHYS_0005&DMDID=DMDLOG_0001

 15.  Briefe über das Radeberger Bad, 1790, Dresden, C.Ch. Meinhold

 16.  Friedrich Schiller: über den Gartenkalender auf das Jahr 1795, Kapitel 1

 17.  Johann Wolfgang von Goethe: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, Erster Band-Kap.3, Cotta‘sche Buchhandlung 1881

 18.  Karl Spazier: Zeitung für die elegante Welt: Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater, Band 8,

Berlin 1804, Verlag Janke

 

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