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Der Pferdewagen ohne Kutscher - Schwerstarbeit für die Bauern
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Ein Horror-Erlebnis -                          Der Pferdewagen ohne Kutscher

Veröffentlicht in "die Radeberger"   Nr. 32  v. 12.8.2016,                                   


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Ein Horror-Erlebnis - Der Pferdewagen ohne Kutscher

In den 50-iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte man sich in der Sommerzeit hin und wieder in Lotzdorf eines leichten Gruselns nicht erwehren, denn es geschah nicht selten, dass am frühen Abend ein Pferdewagen, hoch beladen mit aufgetürmtem Heu oder mit Strohgarben, die Lotzdorfer Straße entlangfuhr. Hohl klapperten die Pferdehufe auf dem Straßenpflaster, und wie bei einem Geisterfahrer war kein Mensch bei dieser seltsamen Fuhre zu sehen. Zu dieser Zeit gab es auf den Straßen nur geringen Autoverkehr, aber die wenigen Kraftfahrer und die verwundert stehen gebliebenen Passanten, die dieser unheimlichen Fuhre begegneten, stellten sich beklommen die Frage: „Wo ist der Kutscher?“

Das hätten eigentlich nur die beiden Zugpferde, Hans und Liese, beantworten können. Sie trabten nebeneinander eingeschirrt, gleichmütig und müde, hin und wieder leise schnaubend, mit gesenkten Köpfen ihrer Heimstatt, dem Bauernhof und Stall zu. Sie kannten schon das Prozedere ihres Bauern, der es sich an solch besonders heißen Sommertagen angewöhnt hatte, auf der Heimfahrt vom Feld noch schnell einen kleinen Halt vor einer der Lotzdorfer Schänken einzulegen, um sich eine kleine Kühlung zu gönnen. Ein frisch gezapftes Bierchen an der Wegstrecke, ob nun im Gasthof Lotzdorf oder auch bei der „Rosel“ in der Alpenrose auf der Friedrichstraße, taten wahre Wunder nach des Tages Mühsal auf Feld und Wiese. Aus der einen kleinen Kühlung konnten dann durchaus mehrere werden, während die Pferde mit dem Wagen vor der Tür warten mussten. Die witterten den Stall, und wenn ihnen die Warterei zu lange dauerte, legten sie sich, wie auf Kommando, in die Riemen und strebten dem Hof ohne ihren Bauern zu. Oder aber, und das kam auch vor, er war nach seinem Biergenuss von seinem Kutschbock nach hinten in das Heu gekippt und damit auch „unsichtbar“… Den Weg kannten seine Pferde ganz genau, um zielsicher ihrem eigenen wohlverdienten „Feierabend“ und ihrer Futterkrippe zuzustreben.

Getreideernte vor den Radeberger Glashütten.   Die vorher zu Kornpuppen aufgestellten Garben mit den noch vollen Ähren werden kunstvoll zu riesigen Fuhren verladen, um auf den Hof zum Dreschen gefahren zu werden.      Aquarell von Karl Stanka 1941
Getreideernte vor den Radeberger Glashütten. Die vorher zu Kornpuppen aufgestellten Garben mit den noch vollen Ähren werden kunstvoll zu riesigen Fuhren verladen, um auf den Hof zum Dreschen gefahren zu werden. Aquarell von Karl Stanka 1941

Diese schon kurios anmutenden Begebenheiten waren natürlich nicht typisch für das Leben der Bauern in Lotzdorf. Ihr Leben war das ganze Jahr schwerste und entbehrungsreichste Arbeit, und besonders auch im Sommer und Herbst, der Hochzeit der Einbringung der Ernte, war für den pflichtbewussten und erfolgreichen Bauern äußerste Disziplin angesagt. Sieht man heute, in unserer hochtechnisierten Zeit, wie eine einzige Erntemaschine auf den Lotzdorfer Großflächen die Arbeit von dutzenden Feldarbeitern, die früher dafür mehrere Wochen brauchten, in wenigen Stunden bewältigt, kann man es sich sicherlich kaum noch vorstellen, wie mühsam und kräftezehrend die Arbeit der Landbevölkerung einst war. Allein an den vielen Arbeitsschritten, die erforderlich waren, um die Grasmahd vorzunehmen und letztendlich als Heuernte einzubringen, ersieht man das: Angefangen mit den in langer Linie aufgestellten Schnittern, die in glühender Sommerhitze mit ihren Sensen im Takt das Gras schnitten, das anschließend zumeist von Frauen und Kindern mit Rechen mehrmals gewendet werden musste, die diese Grasmahd dann an den folgenden Tagen und Wochen immer wieder bewegten, bis das entstandene Heu zusammengetragen und mit Gabeln auf die Heuwagen gehoben werden konnte, um endlich auf den Hof eingefahren zu werden. Nicht weniger aufwendig war die Mühsal der Getreideernte, die mit dem Schneiden des Korns, zum Teil noch mit der Sense oder Handsichel, dem geschickten Binden der Ährenbündel zu Garben, schließlich dem Aufstellen der Garben zu Kornpuppen und nach deren Trocknung zur Weiterverarbeitung auf der Tenne des Bauernhofes einherging. Nicht zu vergessen, immer im Wettlauf mit dem Regen. Das anschließende Ausdreschen der Körner erfolgte mit Dreschflegeln per Hand, einer schweißtreibenden Arbeit mehrerer Männer im Takt, die in der Scheune in dicke Staubwolken gehüllt waren und durch die herumfliegende flimmernde Spreu kaum atmen konnten. Der Beruf eines Bauern war Schwerstarbeit, dazu kam noch die Abhängigkeit von den nicht beeinflussbaren Witterungsbedingungen. Erst ab Ende der fünfziger Jahre kam zusehends Technik zum Einsatz, und Mähdrescher erleichterten die Arbeit. Heutige Erntemaschinen sind Hightech-Maschinen, voller Elektronik und Technik, die fast wie ein Wunder funktionieren und von dem zumeist einzigen „Steuermann“ ein hohes Fachwissen erfordern.

Und auch für Pferde, wie Hans und Liese, sind bessere Zeiten angebrochen. Sie müssen heute keine schweren Erntewagen mehr ziehen, sondern tragen voller Stolz ihre sportlichen Hobby-Reiter(innen).

 

 

 

 

 

 

Renate Schönfuß-Krause

 

Foto: Schönfuß