Veröffentlicht in "die Radeberger" Nr. 36 v. 8.9.2017 und Nr. 37 v. 15.9.2017
Die uns heute zumeist mit allgemeinem Stöhnen erfüllenden Witterungsumschwünge, die uns nur allzu oft und sehr vorschnell zu den Aussagen hinreißen lassen: Zu heiß, zu kalt, zu feucht, zu nass, zu trocken, zu warm, zu stürmisch, zu gewittrig, und die dann von den Medien noch zusätzlich, fast täglich, zu einer neuen Katastrophe erhoben werden, erweisen sich bei einem gründlichen Blick in die Aufzeichnungen und Chroniken unserer Vorfahren als absolut keine Neuheit. Nur mit einem Unterschied, dass unsere Ahnen damals, auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation und dem gesellschaftlichen Entwicklungsstand, diesen Witterungsbedingungen viel mehr ausgeliefert waren als wir. Das betraf vor allem die bäuerliche Bevölkerungsschicht, die mit und von der Natur lebte und sich auf alle Wetterkapriolen einstellen musste. Ihr Leben war hart, ihre Existenz war ständig von Witterungsschwankungen abhängig und bedroht. Die Sommer waren zum Teil anhaltend extrem heiß, wenn die Feldarbeiten erledigt werden mussten, um die Ernte sicher einzubringen. Auf dem nachstehenden Foto, aufgenommen um 1900, spürt man regelrecht die gleißende und über dem Feld flimmernde Hitze, die über dem Land lag und der die Landarbeiter und ihre Pferde den ganzen Tag über schutzlos ausgesetzt waren.
Zu der schweren körperlichen Arbeit in der Hitze kamen noch als Begleiterscheinungen aufgewirbelter Staub und Grannen dazu. Diese widerhakenbesetzten Enden vieler Gräser und Getreidearten klebten bei Mensch und Tier auf der schweißnassen Haut und quälten diese mit ihren Stacheln bei der Feldarbeit. Dazu kam noch der Durst. Besonders die Pferde oder auch Zugochsen litten in der Glut, wenn sie stundenlang, angeschirrt an dem Wagen, auf dem Feld ausharren mussten. Zumeist ohne Wasserversorgung, wenn die Felder nicht gerade in der Nähe eines Teiches, Baches oder Flusses lagen, wie der Röder in Lotzdorf oder Liegau. Wasser war ein wertvolles Gut. Äußerst selten gab es auf den Feldern gemauerte und eingefasste Brunnen, die eine Trinkwasserversorgung von Mensch und Tier absichern konnten.
Einen der letzten Feldbrunnen kann man heute noch als ein Relikt vergangener Tage auf der Lotzdorfer Flur entdecken, der bis Mitte der 1950er Jahre mit einer Handpumpe voll in Betrieb war und der auch die einzige Wasserzuführung und Absicherung für das mehrere hundert Meter entfernte Bauerngut mit mehreren Familien und einem nicht unerheblichen Tierbestand darstellte. Als der ca. 8 Meter tiefe Brunnen auf den Höhen des Lotzdorfer Schafberges um 1957 versiegte, glich das vorerst einer Katastrophe, bis die Bewohner sich eine eigene Wasserleitung in das Haus legen konnten.
Wasser war schon immer lebensspendend, lebenserhaltend für Mensch und Tier, und sicherlich kann sich keiner in unserer heutigen modernen Zeit, mit dem selbstverständlichen Luxus von Bädern, Whirl-Pools und Duschanlagen, mehr vorstellen, dass in den Bauernhäusern bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, Trinkwasser und Wasser zur Körperreinigung, zum Kochen und der Wohnungspflege entweder in Eimern an der „Hofplumpe“ des Brunnens mit Handschwengel geholt werden musste, oder, wenn das Haus bereits mit Wasseranschluss versehen war, sich zumeist nur ein Wasserhahn für alle Bewohner im Treppenhaus befand, von wo aus das wertvolle Nass in Eimern für alle anfallenden Verrichtungen in die Wohnung getragen und aufbewahrt werden musste. Auch die Wasserversorgung der Hoftiere wurde mühsam über die im Hof befindliche Brunnenanlage mit ihrer „Handplumpe“ geregelt.
Eine Ausnahme bildete die Sommerzeit für die Arbeitstiere, denn dann erhielten die Pferde und Zugtiere am Abend, nach getaner Arbeit, ihre wohlverdiente Erfrischung und Tränke in der sogenannten Schwemme. Sie wurden zur Körperpflege und Erfrischung in die Pferdeschwemme geführt oder geritten. Andere gebräuchliche Bezeichnungen dafür sind Hofstallschwemme, Rossschwemme oder Weed.
Kaum einer kennt sie noch, diese Stellen an Bächen, Flüssen, Quellen oder auch in Städten und Dörfern, auf Schlössern und Burgen, an denen in früheren Zeiten Pferde und Zugochsen, aber auch Viehbestände zur Tränke und zur Erfrischung in der heißen Sommerzeit geführt wurden. Diese Wasserstellen waren entweder in der Natur als natürliche Ressource vorhanden oder wurden als Bassin künstlich für die Tierhaltung und deren Wohlbefinden und Sauberkeit erbaut.
Je vermögender der Eigentümer war, umso prunkvoller und kunstvoller konnte die Gestaltung seiner Pferdeschwemme ausfallen, so wie die berühmte Pferdeschwemme in Salzburg für den Marstall oder auch die ehemalige Pferdeschwemme im Stallhof des Dresdner Residenzschlosses.
Das heute noch gebräuchliche Synonym für „gut bestallt“ zu sein, geht auf diese Zeiten zurück, wo man aus der Größe des Pferdebesitzes die damit verbundene Wohlhabenheit und den Reichtum ableitete. Ebenso ist der Ausspruch „Viel Pferd - viel Ehr“ zu verstehen. Ganz selbstverständlich war es deshalb auch, den Reichtum, den man besaß, zu pflegen - seine Pferde gesund und sauber zu halten, zu ihrem Wohlbefinden beizutragen. Die Pferdeschwemmen wurden extra erbaut, falls keine natürlichen Möglichkeiten dafür vorhanden waren, um die Tiere nach dem Ausritt oder nach der Arbeit als Zugtiere zu tränken und zu säubern. Pferdeschwemmen als künstlich erbaute Wohlfühl-Oasen waren mit Besonderheiten ausgestattet: die Wasserstellen waren ummauert, hatten einen Wasserzufluss und -abfluss, besaßen eine gepflasterte Bodenfläche, zumeist mit Bodenplatten aus Sandstein ausgelegt, damit das Wasser klar und sauber blieb und der Boden nicht von den Hufen aufgewühlt werden konnte. Außerdem war zum Hinein- und Herausführen der Tiere an einer Seite des Bassins zumeist eine flach in das Wasser führende Rampe angebracht, die bequem und rutschsicher sein musste. Die Tiefe des Bassins war unterschiedlich und ging von einem halben Meter bis zu ca. 1,70 Meter
An Hand dieser Kriterien werden von Forschern auch heute noch Anlagen ehemaliger Pferdeschwemmen wiederentdeckt oder können als solche zugeordnet werden, wenn sie in den vergangenen Jahrhunderten zugeschüttet oder in den Dörfern zu Feuerlöschteichen umfunktioniert worden waren.
In Lotzdorf und den umliegenden Dörfern, die an dem Röderflusse gelegen waren, ging es beim „Schwemmen“ entschieden schlichter zu. Die Natur hatte mit der Röder, als Wasser-und Lebensader, dafür gesorgt, dass auch in den heißesten Sommermonaten, wenn sogar die Brunnen in den Gehöften versiegten, immer noch genügend Wasser für Mensch und Tier vorhanden war. An einigen Stellen, wo die Uferböschungen der Röder entsprechend flach ausliefen und der Boden auch sandiger war, konnten trotzt allgemeinem Wassermangel die Pferde oder Zugtiere ungehindert ins Wasser geritten oder geführt werden. Diese Stellen im Fluss dienten im Sommer dazu, die erhitzten Pferde nach der täglichen Feldarbeit ausreichend zu tränken, zu reinigen und abzukühlen.
Die Kühlung kam dabei oft Mensch und Tier gleichzeitig zugute, wie man an den sicherlich einmalig-seltenen und schönen Photographien der jungen Burschen im „Adamskostüm“ sehen kann, die ihre Pferde 1904, also einer Zeit der absoluten Prüderie, nackt in die Schwemme in der Schwarzen Röder am Rittergut Kleinwolmsdorf reiten.
Wichtig war bei diesen natürlichen Pferdeschwemmen im Fluss, dass die Tiere sicher und bequem in das Wasser gelangen konnten, um dann nach Möglichkeit, ohne große Drehungen im Fluss, auf der gegenüberliegenden Seite das „Bad“ verlassen zu können. Wurden sie in die Schwemme geritten, geschah das zumeist ohne Sattelzeug, und die Zügel wurden aufgeknöpft, damit sich die Pferde nicht in ihnen verfangen konnten, wenn sie an tieferen Stellen versorgt wurden, wo ihnen das Wasser bis zum Bauch stand. Auf Lotzdorfer Flur war eine Schwemme in den Leithen, wo eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Große Röder bestand und das Wasser eine annehmbare Tiefe für die Pferde hatte. Eine weitere Pferdeschwemme war an der sogenannten „Langa“ oder „Langen Aue“ in Richtung der Lotzdorfer Mühle, einer Uferstelle, die gern von Mensch und Tier zum Baden benutzt wurde, und eine weitere Einstiegsstelle war an der heute noch bestehenden Furt zwischen Lotzdorf und Liegau, gegenüber dem Liegauer Pferde-Hof.
Ein altes Foto um 1915, auf welchem rechts das Freigut Lotzdorf zu sehen ist, macht in diesem Zusammenhang nachdenklich. Der auf dem Foto abgebildete Teich an der Straßenfront, der später nur noch als übelriechende, völlig verschlammte und verwilderte Kloake in Erinnerung geblieben ist, bevor er zugeschüttet und planiert wurde, sieht auf dieser Abbildung einer ehemaligen Pferdeschwemme sehr ähnlich. Die besonderen Merkmale dieser Bausubstanz könnten durchaus auf eine ehemalige Pferdeschwemme hinweisen: die Größe, Ummauerung, im hinteren Teil (heute Seite Kriegerdenkmal) wäre ein flacherer Einstieg durchaus denkbar, da das Gefälle der abfallenden Straße die Wassertiefe bis zum Ende des Bassins am Toreingang des Freigutes ansteigen ließ. Das Wasser kam als Zufluss auf ganz natürliche Weise von „Horns Berg“ und den sich anschließenden Höhen, und ein Abfluss war auch vorhanden. Ob das Bassin in früheren Zeiten gepflastert war, was eindeutig auf eine ehemalige Pferdeschwemme hinweisen würde, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Es ist jedoch absolut nicht abwegig, dass die Lotzdorfer Freigutsbesitzer, die im Dorf als Besitzer des größten Gutshofes auch den größten Tier- und Pferdebestand besaßen, eine eigene Pferdeschwemme für ihren Hof erbauen ließen. Außer Arbeitstieren besaßen sie auch Reit- und Kutschpferde, und man kann sich bei diesem Wert durchaus vorstellen, dass ihre Tiere, bevor sie in die Stallungen geführt wurden, in der Schwemme eines eigenen Bassins vor dem Hofeingang gereinigt und erfrischt oder auch die Fuhrwerke gesäubert wurden. Diese Vermutung soll jedoch nur als Hypothese verstanden werden, Beweise in alten Akten oder sonstigen Niederschriften wurden dafür bisher noch nicht gefunden.
Der Beginn der Industriealisierung in Deutschland, ab Anfang des 19. Jahrhunderts, mit dem Rückgang der Agrarwirtschaft zu Gunsten einer sich entwickelnden industriellen Produktion, brachte auch für die Arbeitspferde, als treue und bisher unentbehrlichen Helfer der Menschen, Veränderungen mit sich. Ihre Kraft wurde seit der Erfindung der Dampfmaschine zunehmend als eine Art „Leistungsvergleich“ benötigt.
Der Begriff „Pferdestärke / PS“ als physikalische Maßeinheit der Leistung, der durch James Watt (1736-1819) bei seiner Weiterentwicklung der Dampfmaschine aufgestellt wurde, sollte anschaulich darstellen, wie viele Arbeitspferde durch die Kraft einer einzigen Maschine ersetzt werden können. Nun wurden zunehmend erhitzte Maschinen „geschwemmt, gekühlt und gesäubert“ – die Pferde als Arbeitshelfer wurden zurückgedrängt. Der ihnen anhaftende, besonders angenehme Tiergeruch wurde durch die Dämpfe von Diesel und Benzin verdrängt.
Erst in den letzten Jahrzehnten hat man das Pferd, seine Kraft und Schönheit wiederentdeckt und züchtet es nun intensiv für den Freizeitsport. Damit erhielt auch die Pferdeschwemme ihre „Renaissance“ und ist absolut kein Relikt vergangener Zeiten mehr, sondern ein Verwöhn-Spaß für die Tiere, auch Trainingseinrichtung oder für die Rehabilitation erkrankter Pferde unentbehrlich. Und, wie kann es anders sein, Pferdeschwemmen sind nun auch ein Spaß für die jeweiligen Besitzer der Tiere oder Pferdeliebhaber geworden, denn diese „gut Bestallten“ können jetzt, wie in Berlin-Tegel, an einer Beach-Bar einer neu eingeweihten Pferdeschwemme sitzen, um Cocktail schlürfend ihre Lieblinge zu beobachten…
Wenn das kein Fortschritt ist!
Renate Schönfuß-Krause / Lotzdorf-Historikerin
www.teamwork-schoenfuss.de
August 2017