Ja, auch das gab es, dass die sogenannte „Kirchenzucht“ in den Gemeinden in Frage gestellt wurde, dass eine Kirchgemeinde die Disziplinierung von Gehorsam und Pflichterfüllung auf den Prüfstand stellte. Eine Akte aus dem Jahr 1799/1800 im Stadtarchiv Radeberg gibt anschaulich Auskunft darüber, wie aus einer, aus unserer heutigen Sicht, ganz vernünftigen Anfrage und Bitte der Lotzdorfer und Liegauer Bauern an die Radeberger Kirche, den Gottesdienst in den Sommermonaten von Ostern bis Michaelis (29. September) um eine halbe Stunde zu verschieben, eine Streitsache entstand, sich sozusagen ein Problem aufbaute oder aufgebaut wurde. Das führte dazu, dass sich die im Verlauf des Streites entstandenen Fronten verhärteten. Eine unmissverständliche Machtdemonstration der Radeberger Kirche, im Verbund mit der Superintendentur Dresden, gegenüber ihrer Kirchgemeinde war die Folge. Das, was Martin Luther seit seinem abgegebenen „Schuss“ mit der Reformation, dem Mut zu Neuem, dem Willen zu Veränderung, eingeleitet hatte, war in der Zeit um 1800 längst wieder in das Verharren in alten Denkmustern, Gewohnheiten und Bequemlichkeiten zurückgefallen. Die Kirche verharrte in der Vergangenheit. Sie erkannte zu dieser Zeit noch nicht, dass sie sich selbst mit ihrem Verharren im Althergebrachten um manche Lebens- und Glaubensfreude mit ihrer Gemeinde brachte...
Renate Schönfuß-Krause / Lotzdorf-Historikerin
Dezember 2017