Hier werden im Rahmen des "Jahres der Industriekultur Sachsen 2020" Beiträge zur 500-jährigen Industriegeschichte Sachsens vorgestellt, die einen breiten Themenkreis überstreichen.
Die Erfolgsgeschichte einer Ziegelei auf historischem Grund und Boden unter Alfred Breitenstein
Aufgrund des relativ großen Umfanges dieser historischen Arbeit und des zahlreichen, unwiederbringlichen und einmaligen Bildmaterials können hier
nur die Gliederung, das vollständige Bildmaterial mit einigen Leseproben, die historischen Karten und die Quellen / Einzelnachweise wiedergegeben werden.
Die vollständige Arbeit ist als PDF-Datei (s. o.) enthalten.
1. Der Bau-Boom des 19. Jahrhunderts – Renaissance für den Ziegel
Lese-Probe:
Wenn über historische Firmen- und Betriebsentwicklungen nachgedacht oder daran erinnert wird, stehen im Focus des Interesses zumeist an allererster Stelle bedeutende Betriebe mit ihren
Erzeugnissen und Produkten, die auf eine allgemein sichtbare, hohe wirtschaftliche Entwicklung verweisen können. Zumeist begannen ihre Erfolgsgeschichten in der Zeit der Industrialisierung, die
mit einem Wandel bestehender Verhältnisse einherging und Firmengründungen ermöglichte, da durch die neuen Gegebenheiten des Einsatzes von Maschinenkraft, Energie und Mobilität die Grundlagen für
eine moderne Industriegesellschaft geschaffen wurden. Menschen versuchten zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mit ihrem Unternehmergeist und ihrer Fähigkeit zur ständigen Anpassung, die sich ihnen
bietenden Möglichkeiten wahrzunehmen, um sich und ihren Familien ein auskömmliches Leben zu sichern.
Als im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die große Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte mit ihrer aufstrebenden Industrie begann, konnte in diesen entstehenden Ballungsräumen bald
eine sprunghafte Zunahme der Einwohnerzahlen verzeichnet werden. Damit setzte ein regelrechter Bau-Boom ein. Es galt, einen riesigen Bedarf an Wohnungen bereitzustellen, öffentliche Gebäude
wurden errichtet, und ab 1840 entstanden zahllose Bauten der neu gegründeten und sich vergrößernden Industriebetriebe. Als bauliches Erbe dieses Industriezeitalters, das auch unmittelbar die
gesamten Stadtentwicklungs-Prozesse beeinflusste, sind noch heute zahlreiche Industriebauten und -anlagen in Sichtbackstein oder Klinker erhalten und in ihrer Schönheit zu erleben, ebenso
Bahnhofsanlagen oder Postämter in diesem Stil. (...)
1897 / 98 entstand der repräsentative, durch die symmetrisch angeordneten Betriebsgebäude-Teile geprägte Neubau des Radeberger Bahnhofes in Klinker-Bauweise. Diese sicherte dem gesamten Gebäude-Komplex Langlebigkeit und Witterungs-Stabilität. Die mittige Empfangshalle ist erst um 1914 als Erweiterungsbau errichtet worden.
Das erste, am 17. November 1845 eingeweihte Bahnhofsgebäude wurde abgerissen.
Foto: Katja Fissel; Redaktion Heimatzeitung „die Radeberger“; August 2020.
Links: das Kaiserliche Postamt Radeberg; erbaut 1894/95. Außen vollständig brauner Klinker, Quelle Christian Gebhardt; Wikimedia: File:2018.Radeberg.Postamt -01.jpg, (CC BY-SA 4.0).
Rechts: Pestalozzischule Radeberg, außen vollständig roter Klinker, Alte Postkarte.
Links: Wasserturm Bahnhof Radeberg, Turm-Schaft: brauner Klinker;
Rechts: Pestalozzischule Radeberg, Ostseite und Dachgesims der Mittel-Fassade.
Fotos: Schönfuß
Aber auch die typischen Wohnanlagen jener Zeit in Form von vielstöckigen „Mietskasernen“, die in ihren Innenausstattungen im Einheitsstil als Arbeiterquartiere erbaut, jedoch durch Verblendungen mit Ziegeln oder Klinkerstein einen individuellen Charme an den Außenfassaden und vor allem Wetterbeständigkeit erhielten, prägten mehr und mehr die Industriestädte. Schulneubauten ergänzten diese sich herausbildenden Stadtviertel im gleichen Stil und wurden entsprechend des Zeitgeschmacks ebenfalls mit unverputzten Ziegel- oder Klinkerfassaden versehen.
Radeberger Wohnbauten-Architektur zum Höhepunkt der Industrialisierung.
Oben: Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Pestalozzistraße) Nr. 4 (ganz rechts, rote Klinker, erbaut 1899), Nr. 6 und 8 (erbaut 1910 - 1912, blau-graue und gelbe
Klinker).
Unten v.l.n.r.: Pestalozzistraße 4 Detail; Mühlstraße 19, Mühlstraße 20. Fotos: Schönfuß
Typische Ziegel-Bauweise von bürgerlichen Wohngebäuden um 1900: Erdgeschoss Ziegelmauerwerk verputzt, Obergeschosse Außen-Fassaden mit Klinkern verblendet. Beispiele: Mühlstraße 18 und 19 Radeberg.
Quelle: Alte Postkarte
Auch die Feierhalle auf dem Friedhof Radeberg ist in Klinkerbauweise errichtet worden, die Einweihung erfolgte 1895.
Ein ehemaliges repräsentatives Ziegelbauwerk in Radeberg:
Der Schornstein der ehemaligen Karosseriewerke Radeberg, Oberstraße / Pulsnitzer Straße, ist am 13. 4. 2013 gesprengt worden. Heute steht dort der EDEKA-Markt Pulsnitzer Straße. Fotos: Schönfuß
2. Ziegel - das Wunder menschlichen Geistes, geschaffen durch Erde, Wasser, Luft und Feuer
Lese-Probe:
Noch heute bestehen viele dieser Bauten aus der Zeit der Industrialisierung - jedoch kaum einer denkt über die Hersteller und die Herstellung der unzähligen Ziegel, Klinker, Mauersteine, Dach- und Dachfirstziegel, Bodenfliesen u.a. für die Bauten jener Zeit nach, die sogar noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, teilweise manuell, im Handstrich-Verfahren hergestellt wurden. Keiner denkt mehr an die ehemaligen Ziegeleien, deren Abbauflächen von der Natur zurückerobert wurden und von deren einstiger Existenz dem interessierten Forscher heute nur noch Veränderungen im Geländebild der Landschaft Zeugnis ablegen, mit flächigen Abbruchkanten[i] oder verlassenen Ton- oder Lehmgruben, die noch als Fischteiche“ in der Landschaft existieren. Wer kann sich heute noch, im Zeitalter der „vollcomputerisierten“ oder sogar bereits „roboterisierten“ Fertigung von Ziegeln des 21. Jahrhunderts[ii], in die Zeiten der einstigen Ziegelherstellung zurückversetzen? Sicherlich noch weniger an die einstigen Arbeitsbedingungen der Ziegelhersteller, ihre schwere, körperliche Arbeit in schmutzigen, feuchten Lehmgruben? An die vielen Arbeitsschritte in manueller Tätigkeit, die notwendig waren, bis aus dem Naturprodukt von gewachsener Erde der Rohstoff gewonnen werden konnte, aus dem gebrannte Ziegel entstanden?
Heute sind diese Ziegeleien in dieser Form nicht mehr vorhanden, die zumeist unmittelbar neben dem Ort der Rohstoffgewinnung von Ton, Lehm und Mergel angesiedelt worden waren. In ihren Anfangszeiten handelte es sich um kleine manuelle Betriebe, die im Handstrichverfahren die nassen, geformten Ziegel zuerst unter der Sonne trockneten, um sie anschließend in einem selbstgebauten, einfachen Ofen, der aus Lehmziegelwänden bestand, auf freiem Feld zu brennen. Erst mit den wachsenden Forderungen nach billiger industrieller Massenherstellung kam es zu grundlegenden Umgestaltungen bisheriger Produktionsprozesse, durch die Erfindung der Dampfmaschine setzte die Entwicklung von manueller zu mechanisierter Fertigung durch Einsatz von Maschinen ein.
Mit dieser Entwicklung setzte die unermessliche Nachfrage nach Baustoffen ein, die eine schnelle und massenhafte Verfügbarkeit, hochwertige Qualität und preiswerte Herstellung garantieren mussten – der Ziegel erlebte seine Renaissance. Die Bedeutung der Ziegelherstellung bekam eine neue Dimension. Der Ziegel, dieses Wunder menschlichen Geistes seit 6.000 Jahren Menschheitsgeschichte, von natürlich gewachsenem Material des Erdreiches als Rohstoff entnommen und durch die vier Lebenselemente der Natur - Erde, Wasser, Luft und Feuer - zwar zu einem künstlichen Baustoff gewandelt, dennoch weiterhin ein reines Naturprodukt darstellend[ii], wurde in großer Anzahl benötigt. Überall, wo die Bodenbeschaffenheiten durch ihre Lehm- und Tonzusammensetzungen Erfolg versprachen, entstanden Ziegeleien, um den erforderlichen Bedarf der Baubranche abzusichern.
Die Erfindung des gebrannten Ziegels geht auf die Sumerer zurück, die seit 6.000 Jahren (1. Buch Mose, 11,3) im südlichen Mesopotamien nachgewiesen sind (Syrien, Irak), und mit der Erfindung der ersten Keilschrift auf Tontafeln den Ursprung der Zivilisation einleiteten (...).
3. Radeberger Land - Geologische Voraussetzungen für die Errichtung von Ziegeleien
Lese-Probe:
Voraussetzung für das Entstehen und die Inbetriebnahme einer Ziegelei war immer die Bodenbeschaffenheit des zur Verfügung stehenden Landes gewesen. Deshalb sind die Ziegeleien im Radeberger Gebiet auch alle im Norden bzw. Nordosten, außerhalb des Stadtgebietes, ansässig geworden, wo sich der erfolgversprechende lehmige Grund und Boden auf den Gemarkungen der Dörfer Lotzdorf und Wachau sowie im Nordosten der Stadt Radeberg (Gebiet Friedrichstal, Heinrichsthal, Leppersdorfer Straße) befand. Gerade hier versprachen die Bodenstrukturen mit Ton- und Mergeleinschlüssen günstige Voraussetzungen für die Gründungen dieser Betriebe.
Die erforderliche Bodenzusammensetzung begründet sich durch die geologische Entstehungsgeschichte der Landschaft.
Radeberg befindet sich geologisch noch auf der Lausitzer Platte und wird damit dem Westlausitzer Hügel- und Bergland zugerechnet. Auf dieser Scholle der „Oberlausitzer Überschiebung“, dem westlichsten Teil der Westlausitzer Hochfläche, deren steile Bergkanten als Grenze entlang des rechten Flussufers der Großen Röder verlaufen und an dieser natürlichen Begrenzung des Flusses steil ins Flusstal abfallen[i], hatten sich frühgeschichtlich auf der Hochfläche des kargen, überwiegend aus Granodiorit bestehenden Gesteinsbodens, in Senken und Talmulden eiszeitliche Ablagerungen von Sand und lehmigem Ton abgesetzt. Ideale Zusammensetzungen als Voraussetzung für die Ziegelherstellung. (...)
Das Gebiet erstreckt sich etwa von der Senke zwischen Silberberg, Spitzberg, Taubenberg / Schafberg und ehem. Sandberg zum Rödertal hin abfallend.
Karten-Basis: Karte „Dresdner Heide und Seifersdorfer Tal“. VEB Bibliographisches Institut Leipzig. Liz. Nr. K2. 1954. Grafik: Schönfuß
1. Radeberger „Ratsziegelscheune“ Kamenzer Straße, nach Stadtbrand 1741 gegründet
2. Ziegelei Lotzdorf, ab 1920 (Einverleibung Lotzdorf zu Radeberg) „Ziegelwerk Radeberg - Lotzdorf“, nachgewiesen ab 1811 – 1963
3. Ziegelei Wiesental (am Hofegrundbach), 1862 – 1900
4.
Ziegelei Friedrichsthal (Rotes Vorwerk), 1882 – 1890 (spätere Schreibweise "Friedrichstal"
5. Ziegelei Heinrichsthal (Graues Vorwerk), nachweisbar 1868 - 1933
6. Ziegelei Leppersdorfer Straße, 1852 – 1939
7. Ziegelei Feldschlösschen (an der Knorpelschänke) ab 1864
Interessant ist die Lage der Lotzdorfer Ziegelei, die sich auf durchaus historisch bedeutsamem Boden unterhalb des Radeberger Silberberges befand. Genau diese Gegend war bereits im 16. Jahrhundert Teil einer umfassenden Untersuchung der Bodenbeschaffenheit und Rohstoffvorkommen gewesen, die im Auftrag des Kurfürsten im Meißnischen Land durchgeführt wurden. Die Lage der Ziegelei war auch insofern bedeutsam, da sie linksseitig der Badstraße lag, auf Lotzdorfer Flur in der Quellsenke des Tannengrundbaches, und auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Fluren von Radeberg und Wachau aneinandergrenzten.
Ausschnitt aus Messtischblatt 1902:
4. Der "Spitzberg" als nordöstliche Begrenzung der zum Rödertal hin abfallenden Senke zwischen Silberberg, Spitzberg, Taubenberg / Schafberg und ehem. Sandberg.
Ausschnitt aus Militärkarte von Petri 1759:
Die Radeberger Ziegelei "Ratsziegelscheune" an der Straße nach Leppersdorf / Kamenz, Nachweis ihrer frühen Existenz in der "Militärkarte des Churfürstentums Sachsen" von Isaak Jacob von Petri 1759, Blatt 8A (Leinwand-Original im Privatbesitz).
Das "Land-Wehr-Holtz" (Landwehr) mit seinen verschiedenen Namen erstreckte sich als geschlossener Streifen vom Liegauer Rödertal bis in das Gebiet Bretnig / Ohorn und war eine riesige Brennstoff-Reserve, nicht nur für die Ziegeleien in ihren Anfangsjahren.
4. Radeberger Silberberg und seine Umgebung –
im 16.Jahrhundert erste Aufzeichnungen über Bodenbeschaffenheit und Bergbau
Lese-Probe:
Bei dem „Silberberg“ (271 m ü. NN) handelt es sich um eine bergige Erhebung, die aus den Feld- und Wiesenflächen der Gemarkung des Dorfes Lotzdorf sanft aufstrebt, jedoch mit seinem nördlichen Bergausläufer steil und felsig in den „Tannengrund“ abfällt, in Richtung des Dorfes Liegau. Die Besonderheit des Standortes „Silberberg“ bestand darin, dass der sich aus den Lotzdorfer Flächen erhebende Silberberg nicht zu Lotzdorf gehörte, sondern zum Amt Radeberg.
Seinen Namen hatte der Berg vermutlich durch die Silberfunde in dieser Gegend erhalten, auf die man Anfang des 16. Jahrhunderts stieß, als im Auftrag des Kurfürsten alle Gebirgsgegenden Sachsens untersucht wurden, um Bodenschätze zu finden und Rohstoffvorkommen aufzuschließen. Dabei untersuchte man auch im gesamten Meißnischen Land überall die Bodenbeschaffenheiten und erforschte systematisch selbst Bach- und Flussläufe auf Gold- und Silberabrieb. Einer der damit Beauftragten, der Universalgelehrte Georgius Agricola (1494-1555), beschrieb bereits 1546 in seinem Werk „De natura fossilium“ (S. 314) die Radeberger Vitriol-Herstellung, denn es hatte sich herausgestellt, dass die Radeberger Gegend durchaus abbauwürdige Rohstoff-Vorkommen aufwies. Nur wenig später beschrieben 1556 auch die Gelehrten Johannes Kentmann (1518-1574) und Conrad Gesner (1516-1565) in ihrem Werk „De omni rerum fossilium genere (…)“ sowie Petrus Albinus (1543-1598) in seiner „Meißnischen Land- und Berg-Chronika“ von 1590: „Zu Radeberg findet man einen gelben Schirblichten Goldmergel in einer sandichten Erden daselbst“ (S. 613), oder „Desgleichen wäscht man auch Körner in den Bächen (…) so ober der Elbe zwischen dem Stolpen und Dresden, daraus man gut Gold macht“ (S. 612). Aber außer diesen Funden an Goldsand[ii] kam es auch zu ersten Silberfunden in Klüften und Gängen der Felsen. Alaunsteine wurden gefunden und in vier Meilen Entfernung sogar ein ganzes Alaunfeld (S. 672), Eisenthan (S. 663), Kupferwasser mit Schwefel vermischt (S. 672), Radeberger Kies mit Schwefel (S. 627), der gesotten wurde, und bei den Untersuchungen der Bodenbeschaffenheit stellte man „Mergel auff den Eckern“ fest (S. 663)....
5. Lotzdorfer Ziegelei – „Mergel auff den Eckern“ bringt
der Gegend Gewinn
Lese-Probe:
Die bei der Untersuchung der Bodenbeschaffenheit im 16. Jahrhundert getroffene Feststellung, das sich „Mergel auff den Eckern“ in der Gegend zwischen Radeberger Silberberg, Spitzberg und Sandberg befindet, konnten die bäuerlichen Eigentümer der Lotzdorfer Gemarkung von jeher nur bestätigen. Dieser Grund und Boden der Wirtschaftsflächen des Dorfes Lotzdorf, südlich und östlich unterhalb des Silberberges gelegen, bestand aus Ton, Sand und Schluff. Es war damit Lehmboden, auf dem auch vorzugsweise die den Lehm liebenden Pflanzen wie Klatschmohn und die „Zieglerblume“ Huflattich wuchsen. Ebenso betroffen von dieser Bodenbeschaffenheit waren der südliche Teil der sich anschließenden Gemarkung Wachau und das Gebiet Friedrichsthal / Heinrichsthal....
6. Gutsbesitzer Großmann - erster nachgewiesener Eigentümer
der Lotzdorfer Ziegelei
Lese-Probe:
Dazu gehörte vermutlich auch der Lotzdorfer Gutsbesitzer Johann Gottlieb Großmann, der ab dem Jahr 1811 auf dem Lotzdorfer Flurstück 480 (später auch 475 / 476) als Eigentümer von Grund und Boden nachgewiesen ist. Ihm wird auch die Gründung des ersten, vorerst kleinen Ziegeleibetriebes auf dem Lotzdorfer Flurstück zugeschrieben, wobei das genaue Datum der Inbetriebnahme der ersten Ziegelproduktion nicht bekannt ist. Die Wahl des Standortes für eine Ziegelei war vorausschauend gewählt, denn unmittelbar unterhalb des Silberberges, in einer flachen Senke gelegen, versprach dieses Gelände mit seiner tiefgehenden Lehmschicht reiche Ausbeute. Das östlich gelegene Lampertholz (die Landwehr) befand sich als Holzlieferant in unmittelbarer Nähe, fast „über die Straße“, und durch diese Waldung führte auch der „Ziegelweg“, auf dem die Arbeitskräfte aus den umliegenden Dörfern die Ziegelei erreichen konnten...
Die Tongrube bzw „Lehmgrube“, damals noch unmittelbar an der Badstraße gelegen, mit der Abbau- bzw. Baggerkante (vom Straßenrand nach rechts) und der Grubensohle, auf der der Bagger stand (hier rechts die Baggerkante im Hochschnitt). Links am Horizont der „Taubenberg“ (Stadtrandsiedlung) und der Schafberg (Standort Felixturm), halbrechts das Krankenhaus. Quelle: Lumpe
7. Keine Chance für Spekulanten - das Ziegelhandwerk will
verstanden sein
Die Tongrube hat hier bereits 2 Ebenen und ist in Richtung Westen „gewandert“. Im unteren Grubenbereich, der im Bagger-Tiefschnitt entstand, füllt sich der Ziegeleiteich mit Grundwasser. Etwa in Bildmitte auf der Zwischen-Ebene ist der moderne Eimerkettenbagger zu erkennen, hier im Hochschnitt arbeitend. Rechts oben das damals letzte Wohnhaus auf der Badstraße.
Lese-Probe:
Nachdem er seine Ziegelherstellung aufgegeben und die Ziegelei verkauft hatte, wechselte der Betrieb mehrmalig kurzzeitig die Besitzer, die zumeist kein Fachwissen besaßen und die Ziegelei als gewinnbringende Geldanlage verstanden. Großmann veräußerte die Ziegelei mit Grund und Boden an den Dresdner Kaufmann Karl Eduard Kurth, dieser verkaufte sie 1863 für 3.000 Taler an den Dresdner Weinhändler Friedrich Julius Wiegandt. Bereits ein Jahr später wurde am 8. April 1864 im Staatsarchiv Dresden der Kauf der kleinen Ziegelei durch Schuhmachermeister Friedrich August Sobe aus Radeberg verzeichnet, der sie für 3.500 Taler erstand. F. A. Sobe kaufte bereits 1865 das Radeberger Flurstück Cat. 367 (heute Bahnhofsstr. 17) und erbaute darauf das Gasthaus „Zum Norddeutschen Hof“ (später „Deutsches Haus“), das nach dem Verkauf der Ziegelei 1866 bereits 1867 durch ihn eröffnet wurde. (...)
8. Wirtschaftlicher Aufschwung unter C. A. H. Bedrich und
Ziegelmeister E. H. Genauck
Lese-Probe:
Mit dem Radeberger Baumeister Bedrich kam der erste Unternehmer in den Besitz der Ziegelei Lotzdorf, nach Gutsbesitzer Großmann als einstigem Gründer, dem ein wirtschaftlicher Aufschwung durch die Ziegelherstellung gelang. Als Baufachmann war Bedrich von Anfang an interessiert, eine qualitativ hochwertige Ziegelherstellung zu betreiben, die auch mengenmäßig seinen hohen Ansprüchen und zahlreichen Aufträgen genügen sollte, da er als Baufachmann an zahlreichen Großbauprojekten im Raum Radeberg beteiligt war.
Deshalb führte Baumeister Bedrich viele Verbesserungen ein und brachte die durch seine Vorgänger heruntergewirtschaftete Ziegelei wieder auf einen zeitgemäßen Standard. Mit seiner Ziegelproduktion gelang es ihm, über den normalen Verkauf hinaus, auch seine eigenen Bauaufträge absichern. Da er selbst in erster Linie für sein Baugeschäft zuständig war, stellte er als seinen Ziegelmeister, für alle Belange des Betriebes, den tüchtigen Lotzdorfer Ernst Heinrich Genauck ein. Für Ziegelmeister gab es zu dieser Zeit noch keine Ausbildung in einem Lehrberuf, sondern es handelte sich dabei um erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten durch praktische Tätigkeit. Das Wissen und die Erfahrungen in der Ziegelherstellung erwarben die späteren Ziegelmeister zumeist bereits als Kinder, da sie zumeist als arme, dörfliche Häuslerkinder frühzeitig in den Ziegeleien mitarbeiten mussten.
Als Baumeister Bedrich nach 13 Jahren 1879 die Ziegelei verkaufte, sah sich Ziegelmeister Genauck bereits selbst in der wirtschaftlichen Lage, die Ziegelei käuflich für 13.500 Mark zu erwerben. Er führte zahlreiche Neuerungen ein und ersetzte den eingefallenen Altdeutschen Ofen durch einen Zylinderofen, in dem er Mauersteine, Dachziegel und Dachfirstziegel brennen konnte. Genauck war vorausschauend und sicherte die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes in der Zeit der Industrialisierung als Zulieferbetrieb für die Eschebach‘schen-Werke, indem er Schamottesteine für dort hergestellte Küchenherde lieferte. Außerdem erkannte er das neue Geschäftsfeld, das sich ihm mit der Entwicklung der Glasindustrie in Radeberg bot und er belieferte die zahlreich entstehenden Glashütten, für die er spezielle, große und besonders feuerfeste Pflasterziegel anfertigte, die vor den Öfen und Häfen der Glasschmelze verlegt wurden. Ebenso fanden sie Verwendung in der Radeberger Eisengießerei. Dadurch wurde er wettbewerbsfähig gegenüber anderen Ziegeleien im Umfeld. (...)
(...) Als sich Genauck 1897 entschloss, in den Ruhestand zu gehen, wechselte die Ziegelei erneut die Besitzverhältnisse. Sie wurde von ihm am 29. Juni 1897 für 24.500 Mark verkauft.
9. Zwei Langebrücker Besitzer stellen Lotzdorfer Ziegelei
auf Dampfziegelei um
Lese-Probe:
Die neuen Besitzer waren der Baumeister Friedrich Wilhelm Kunath und der Rentier Karl Bernhard Toni Nitzsche aus Langebrück. Beide ließen im Vorfeld des Kaufes Bodenproben durchführen, um die Ertragsdichte des Lehms festzustellen, und erwarben daraufhin bereits am 10 Juli 1897 nochmals ein 5 Scheffel großes Feld- und Wiesenstück von Gutsbesitzer Burkhardt aus Lotzdorf. (...)
Sie modernisierten den Betrieb sofort grundlegend und stellten ihn umgehend mit einer Lokomobile (Dampfmaschine) auf eine Dampfziegelei um. Da bereits im Januar 1898 der Mitinhaber Nitzsche aus dem Eigentumsverhältnis wieder ausschied, wurde im Dezember 1897 ein Taxschein als Wertgutachten von einem Sachverständigen erstellt, also ein halbes Jahr nach Übernahme der Ziegelei. (...)
(...) Gebaut und eingerichtet wurden u.a.:
Die Überbleibsel von Ringofen-Gebäude (rechts, ringsum zugemauert), vom parallel zum Ringofen gebauten 424 qm großen Lager- und Trockenschuppen (links im Bild) und dem zurückgebauten, ursprünglich 25 m hohen Schornstein. Hinter dem Schornstein Reste des Maschinenhauses. Der Ziegelei-Teich befindet sich zwei Ebenen tiefer hinter dem Grünstreifen. (...)
Von dem Pressenhaus, nach dem Ringofen war eine Feldbahn auf Schienen mit Drehscheibe erbaut worden, die sich bis zum Trockenschuppen hinzog. Ein handbetriebener Aufzug mit Bremsvorrichtung ermöglichte die zusätzliche Beförderung der Lehmziegel auf den Trockenboden über dem Ringofen, wo sie ebenfalls gelagert wurden.
Der Eimerkettenbagger mit der Feldbahn
Betriebsgebäude und Nebenanlagen
Bild links: Einer der Trockenschuppen.
Das markante Gebäude etwa in Bildmitte gehörte zum Friedrichsthal, es hat heute die Adresse „Feldhausweg 6“ („Hasens
Haus“) und grenzt an einen Ausläufer der Landwehr.
Am Horizont der Spitzberg vor der vollständigen Abbaggerung in den 1970er Jahren. Die Kiesgruben befinden sich dahinter.
Rechts am Horizont die zum Friedrichsthal / Hofegrundbach hin abfallenden
Feld- und Wiesenflächen
10. Lotzdorfer Ziegelei im alleinigen Besitz von
Baumeister F. W. Kunath
Lese-Probe:
Bereits am 13. Januar 1898 trennten sich die zwei Eigentümer, und die Ziegelei ging in den alleinigen Besitz von Baumeister Kunath über, der für 40.000 Mark die ideelle Hälfte des Besitzes von seinem Teilhaber Nitzsche abkaufte (vgl. gemeinsame Kaufsumme Juni 1897: 24.500 Mark). Vermutlich für beide bereits nach dieser kurzen Zeit ein gutes Geschäft. Baumeister Kunath, der schwerpunktmäßig weiterhin seinen Baubetrieb führte, stellte als Fachmann für die Ziegelherstellung den Ziegelmeister Schadel ein.
Der Wert der Lotzdorfer Dampfziegelei stieg durch weitere Modernisierungen unter Baumeister Kunath enorm. Auf dem Gelände wurde zur Arbeitserleichterung ein damals hochmoderner Eimerketten-Bagger für Hoch- und Tiefschnitt eingesetzt, eine elektrische Lichtanlage und eine Sägewerkseinrichtung installiert.
Ziegelmeister Wilhelm Schadel war als Pächter der Ziegelei Leppersdorfer Straße unter dem Namen „Dampfziegelwerk Radeberg Wilhelm Schadel“ im Handelsregister unter Nr. 280 eingetragen und betrieb die Ziegelei von 1903 bis zu ihrem Konkurs 1912. (...)
11. Neuer Besitzer der Lotzdorfer Ziegelei –
der Dresdner Kaufmann E. A. Bittcher
Lese-Probe:
Am 8. Juli 1918 ging die Ziegelei in den Besitz des Dresdner Kaufmanns E. A. Bittcher über, mit allen Liegenschaften. Ein Nachtrag auf dem Taxschein vom 17. Juli 1918 weist den Wert der Ziegelei infolge von Neuanschaffungen, Verbesserungen, Landzukauf und Vorräten gegenüber der Schätzung vom 31. Dez. 1897 als erheblich gestiegen aus. Mit der großen Gesamtanlage, dem riesigen Lager- und Trockenschuppen für 50.000 Mauersteine und 85.000 Ziegelsteine übernahm er das gefüllte große Lehmlager, das ihm bei rund 30 Bränden 3,3 Millionen Ziegel im Jahr garantierte. Aber auch ein Sägewerk mit Sägegatter, Sägen und Kreissägen, Elektrische Lichtanlagen in allen Gebäuden, Treibriemen, Wagenpark, Schubkarren, vier Pferde, 20.000 Quadratmeter unbebaute Fläche an der Staatsstraße, Pferdegeschirre, Futtervorräte, Stroh u.a., 500.000 fertige Ziegel, Kohlenvorräte sowie nochmals 5 Scheffel zum Abbau vorgesehener Grund und Boden, der bereits an Gutsbesitzer Burkhardt in Lotzdorf bezahlt war. Der Wertzuwachs betrug 112.000 Mark. (...)
Ab 1920, mit der Vereinigung der Stadt Radeberg mit dem Dorf Lotzdorf, führte die Ziegelei den Namen „Ziegelwerk Radeberg Lotzdorf“...
12. Das „Ziegelwerk Radeberg Lotzdorf“ - Erfolgsgeschichte unter
Alfred Breitenstein
Lese-Probe:
Nachdem E. A. Bittcher 14 Jahre gemeinsam mit Ziegelmeister Ernst Sonntag aus Lotzdorf das Ziegelwerk geleitet hatte, verpachtete er es ab Mai 1932 an den mit reichen Erfahrungen ausgestatteten Ziegelmeister Alfred Arnold Wilhelm Breitenstein (1898-1974) aus Dresden, einem Fachmann auf allen Gebieten der Ziegelei-Technik. Breitenstein bezog am 27. April 1932 mit seiner Frau Lore (1905-1976) und dem vierjährigen Sohn Hans das kleine Wohnhaus der Ziegelei. Drei weitere Kinder wurden dem Ziegeleibesitzer-Ehepaar Breitenstein geboren.
Daten Familie Breitenstein:
1. Alfred Arnold Wilhelm Breitenstein, geb. 21. März 1898 Großbarthelsee, Kreis Bromberg;
2. Ehefrau Flora Johanna Breitenstein, geb. Bernhardt am 23. Mai 1905 Burgk – Freital;
3. Sohn Alfred Hans Jochen B., geb. 26. Aug. 1928 Dresden-A20;
4. Sohn Erich Rolf B., geb. 19. Febr. 1933 Radeberg;
5. Tochter Helga Flora B., geb. 27.Juni 1937 Radeberg, verh. Koch;
6. Tochter Johanna Monika B., geb. 1. Febr. 1945 Radeberg;
Am 1. Mai 1932 erfolgte die Geschäftsübergabe per Pachtvertrag durch den Kaufmann Edgar August Bittcher an Alfred Breitenstein, der sich in den nächsten Jahrzehnten als tüchtiger Geschäftsmann
erweisen sollte. Ausgestattet mit technischem Wissen auf allen Gebieten und stets für Neuerungen aufgeschlossen, war er ein selbst zupackender Chef, dem keine Arbeit zu gering erschien.
(...)
Im Jahr 1937 erwarb Breitenstein einen neuen Kollergang des Fabrikates Roscher/Görlitz. 1938 erfolgt eine vollkommene Umgestaltung der Ziegelei. Er veranlasst die Umstellung sämtlicher Betriebsanlagen auf elektrischen Kraftstrom. Es wurden Strommasten gesetzt, Isolatoren eingebaut, und ein umfangreiches Stromleitungs- und Verteilernetz versorgte nun alle Gebäude und Anlagen bis hin zu dem Bagger in der Tongrube mit Strom.
Von Alfred Breitenstein eingeführte technische Neuerungen (Auswahl):
Hersteller dieser Maschinen und Ausrüstungen (gleichzeitig Bild-Quelle der folgenden Fotos) war die Firma Maschinenfabrik Roscher GmbH Görlitz (Schlesien) MARO .
Sein unermüdlicher Geschäftssinn ließ ihn in Heidenau-Großsedlitz eine alte Kammerguts-Ziegelei erwerben, die er als Zweigniederlassung aufbaute.
Breitenstein erwarb bereits am 1. Mai 1932, anlässlich der Geschäftsübernahme, seinen ersten Lastkraftwagen Hanomag, einen weiteren ein halbes Jahr später am 1. Dez. 1932 als „sein Weihnachtsgeschenk“, den dritten Hanomag erwarb er am 5. Dez. 1933. Am 24. Mai 1935 kam Hanomag Nr. 4 dazu. Der Fuhrpark vergrößerte sich im Jahr 1935 durch einen Lastkraftwagen „VOMAG“. Da auch dieser bei der stetig steigenden Leistungsfähigkeit bald nicht mehr ausreichte, musste der Lastkraftwagen-Fuhrpark wieder vergrößert werden, und am 21. März 1936 traf der erste Magirus-Lastkraftwagen in der Radeberg-Lotzdorfer Ziegelei ein, am 20. Oktober 1936 der zweite dieses Fabrikates. Schließlich wurde am 25. Januar 1937 eine BMW-Limousine von Dressler - Dresden angekauft. 1938 erwarb A. Breitenstein ein BMW- Cabriolet, und am 20. Januar 1939 wurde der Fuhrpark durch einen dritten Magirus-Lastkraftwagen verstärkt. (...)
13. Nach 1945 – Nasspresssteine für Heizzwecke
statt Ziegelproduktion
Lese-Probe:
(...) Bereits am 1. Juni 1945 begann er mit seinen 14 Ziegelarbeitern wiederum, die Produktion in der Ziegelei aufzunehmen. Obwohl wegen der Kriegsschäden Ziegel dringend benötigt werden, muss die Produktion wegen Kohlemangel 1946 erneut eingestellt, die Ziegelei geschlossen werden. Seine gesamten Anlagen standen wieder still, jedoch nicht sein unermüdlicher Unternehmergeist.
Die Nachkriegszeit war nicht nur durch unermesslichen Hunger gekennzeichnet, sondern auch durch mangelndes Heizmaterial für die Bevölkerung. Als Fachmann kannte A. Breitenstein die bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannte Herstellungsweise von Nasspresssteinen für Heizungszwecke - eine Parallele zur Ziegelherstellung, aber auch die Chance zu seiner bisherigen Tätigkeit als Ziegelhersteller, um mit einer neuen Produktion von Kohle-Nasspresssteinen Abhilfe in der Not zu schaffen. Das Verfahren war fast wie bei der Ziegelherstellung, indem die aus den Abbaugebieten geförderte und angelieferte Rohbraunkohle mit allen Kohlepartikeln und selbst dem Kohlestaub verarbeitet werden konnte, um als Brennstoff zum Einsatz zu kommen. Seine Technik für das Verfahren mit allen Voraussetzungen war vorhanden. Die Arbeitsschritte glichen denen der Ziegelherstellung, indem Rohbraunkohle zerkleinert und mit Wasser vermengt zum Kohlebrei in Formen gestrichen, gepresst und getrocknet werden musste.
Damit wurde durch ihn als Ziegelhersteller ein neues Standbein, mit einer aus der allgemeinen Nachkriegsnot heraus entstandenen, für die Bevölkerung hilfreichen Idee gefunden. (...)
(...) Eine weitere Neuerwerbung wurde 1947 mit der Aufstellung des Windkraftrades im Ziegeleigelände realisiert, das vorher zur Ziegelei Friedrichsthal gehört hatte. Breitenstein nutzte mit der Inbetriebnahme die Windenergie als natürliche Ressource, um mit der Windkraftpumpe das sich in der Baggergrube angesammelte Grundwasser bei Tiefschnitt vollständig abgzupumpen, oder wenn von der über dem Wasserspiegel liegenden Baggerebene aus das im darunter liegenden Teich angesammelte Grundwasser ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten darf. Das aus dem Lotzdorfer Ziegelei-Teich abgepumpte Grundwasser ist zum großen Teil als Brauchwasser verwendet worden, das überschüssige Wasser wurde in einem unterirdischen Kanal in den Tannengrund, unterhalb des Silberberges, abgeleitet.
(...) Die Produktion des „Ziegelwerkes Radeberg Lotzdorf Alfred Breitenstein“ wurde erneut erfolgreich. 1960 hatte die Ziegelei 20 Beschäftigte und produzierte etwa 2,2 Millionen Ziegel im Jahr. Die Ziegelproduktion musste jedoch schließlich ab 1963 infolge Arbeitskräftemangels endgültig eingestellt werden. Das Gelände wurde von der LPG „Einigkeit“ als Stützpunkt für die Technik genutzt.
Was in der Erinnerung blieb, waren die einstigen Wahrzeichen der Ziegelei mit dem großen und dem kleinen Windkraftrad, mit der weithin sichtbaren Esse und dem Ziegelei-Teich, genannt die Lehmgrube, der noch Jahrzehnte nach der Schließung des Betriebes in den Sommermonaten für illegale Badefreuden in der „Lehmpfütze“ bei Groß und Klein sorgte…
14. Faszination Ziegel – eine Endlosgeschichte, auch in moderner
Zeit mit Rückblick und Ausblick
Lese-Probe:
Die Zeiten hatten sich geändert, damit auch die Ziegelproduktion. Bereits ab Mitte der 1960er Jahre war die Vollmechanisierung des Tonabbaus größtenteils abgeschlossen. Kleinere Betriebe, die teilweise auch noch Handabbau beim Abbaggern unsauberer Beimischungen in Bodenschichten betreiben mussten, hatten kaum noch wirtschaftliche Chancen zum Überleben.
Heute ist die Ziegelproduktion ein hochmoderner, mit High-Tech hergestellter Baustoff, durch Industrieelektroniker in hochmodernen Ziegelwerken geschaffen. An seiner Faszination und seiner Wertigkeit hat der Ziegel dennoch nichts eingebüßt. Seine einstige Erfindung und Herstellung als Baustoff vor ungefähr 6.000 Jahren ist genial zu nennen. Sein Schöpfungsprozess entstand durch die erstmalige, nachhaltige Überlegung von Menschen, die durch Beobachtung und gedankliche Kombinationsgabe aus einfachen Naturprodukten des Erdreiches, durch bewusste Bearbeitung etwas Neues wie den Ziegel schufen, der dazu geschaffen wurde, um sich ein elementares Existenzbedürfnis nach Sicherheit und Wohnen erfüllen zu können. Das war in der Menschheitsgeschichte eine bis dahin einmalige Entwicklung.
Diese gedankliche Schöpfung, mit der ein überlegt geschaffenes Material hergestellt wurde, ging über den bisherigen einfachen Gebrauch von naturgegebenen Steinen oder Holz hinaus, die bisher zum
Bau einer Behausung zum eigenen Schutz in ihrer Naturform Verwendung fanden. Menschlicher Geist schuf mit der Ziegelherstellung, durch Überlegung, Beobachtung und besondere Bearbeitung einen
neuen Werkstoff, wie er in der Natur nicht vorkommt. Einhergehend mit der Erfindung des Ziegels ist diese Zeit der geistigen Entwicklungsstufe des Menschen auch mit der Kombinationsgabe der
Erfindung von Tongefäßen aus gebranntem Lehm verbunden und der Erfindung des Brotes, das ähnlich wie beim Ziegel, aus der Bearbeitung des wildwachsenden Getreides als Naturprodukt entstand,
welches gemahlen, mit Wasser vermengt zu einer Breimasse, anschließend durch Backen zu einem neuen Stoff gewandelt wurde. Die Menschheit verließ damit die Entwicklungsstufe, wonach sie bisher nur
bereits Vorhandenes nutzte und betrat eine neue Epoche der selbst produzierenden, aufbauenden, neu schaffenden Tat.
Diese „Tat“, als die Grundlage jeglichen Seins, findet sich auch bei Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) als Denker der Aufklärung, wenn er in seinem Lebenswerk „Faust I“ den philosophischen
Gedanken darlegt, was am Anfang der Entwicklung der Menschheitsgeschichte stand bzw. diese höhere Entwicklung ausgelöst haben könnte. Und er kommt zu der Erkenntnis: „Am Anfang war die Tat“, und
nicht das Wort, der Sinn oder die Kraft. Die Sumerer im heutigen Gebiet Syrien-Irak erbauten um 4000 v. Ch. bereits die erste Großstadt Uruk aus Ziegelsteinen.
Die Sumerer waren die ersten, die als Volk im südlichen Mesopotamien mit der weltverändernden „Tat“ nachgewiesen sind und die bereits in einer hohen Zivilisation lebten. Sie erfanden die Töpferkunst und die Ziegelsteine, beide aus Ton oder Lehm geschaffen. Die Technik der Ziegelsteinherstellung erfolgte bereits damals im Handstrichverfahren, in Formen gebracht und an der Luft getrocknet und im Feuer gebrannt. Die Sumerer hatten in ihrem Lebensraum, dem Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris des heutigen Syrien und Irak, weder Gesteine noch Bauhölzer zur Verfügung, damit wurde der überall angeschwemmte und ständig verfügbare Lehm zu ihrem wichtigsten Baumaterial, bis hin zum Ziegelstein. Ihnen wird die Erfindung des Gewölbes zugeschrieben, und sie gründeten bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. die ersten großen Städte aus Ziegeln mit Monumentalbauten (Zikkurat), wie in ihrer damaligen Hauptstadt Uruk. Auf dieses Kulturvolk geht auch die Herstellung von hochwertigen Glasurziegeln zum Bauen zurück, wie sie später in Babylon unter der Herrschaft von Nebukadnezar II. (605-562 v. Chr.) für das Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße[ii] Verwendung fanden.
Zikkurat bedeutet Götterberg oder heiliger Bezirk, es sind gestufte Tempeltürme wie der „Turm zu Babel“;
15. Der Ziegel – Träger für die gewaltige geistige Leistung
der Menschheit, die Schrift
Lese-Probe:
Aber als die größte Tat der sumerischen Kultur wird in der Erfindung erster Bildsymbole und Schriftzeichen gesehen, die sie wiederum auf Ziegel brachten und aus denen in der weiteren Entwicklung eine der Sprache angepasste Schrift aus keilförmigen Zeichen entstand. Die gebrannten Ziegel und Tontafeln wurden zu Trägern der Schriftsymbole, zu ersten Schriftträgern, lange vor der Erfindung von Papyrus und Pergament. Mit dieser Erfindung begann ein neues Zeitalter in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Ab diesem Zeitabschnitt wurde die Bewahrung von Gedanken, Ereignissen, Erfindungen möglich, die durch das geschriebene Wort auf Ziegeln und Tontafeln festgehalten und über Jahrtausende bewahrt und weitergegeben werden konnten. (...)
Die Schriftzeichen wurden mit Schilfrohrgriffeln, deren dreikantiges Ende wie kleine Keile aussahen, als keilförmige Zeichen in die ungebrannten Tontafeln und Ziegel gedrückt und zu Botschaftern aus dieser Zeit. Um 3300 v. Chr. begann mit der weiteren Entwicklung der Keilschriftzeichen zu einer Silbenschrift ein neues Zeitalter, die Vorgeschichte des Menschen wird ab dieser Zeit als beendet angesehen, der vorher nur mündliche Überlieferungen von Mund zu Mund vornehmen konnte. Durch Schriftzeichen auf Ziegeln und Tontafeln, die als Schriftsprache mit bereits etwa 700 Zeichen entwickelt wurde, konnten Überlieferungen und Erkenntnisse über Zeit und Raum hinweg weitergegeben werden – damit begannen Geschichts-Schreibungen und der erste Schritt zu einer höheren Kultur. (...)
16. Bauen formt die Umwelt –
Umwelt wird erst durch Bauen zum Lebensraum
Lese-Probe:
Der Ziegel wurde zum Kulturträger, und was besonders interessant ist, er wurde auch zum Träger unserer Zivilisation, bis heute. (...)
Der Ziegel lebt weiter und hat mit seinen vielen Vorteilen, trotz Erfindung anderer Baustoffe, an seiner Wertschätzung nichts eingebüßt. Er ist nach wie vor hochgeschätzt durch seine Natürlichkeit, seine Vielfältigkeit der Verwendungsmöglichkeiten, seine Wärmedämmung, seinen Schallschutz und auch durch seine Schönheit. Mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, ob in der Herstellung, im Brennverfahren, seiner Farbgestaltung durch Zugabe von Asche und anderen Zusatzstoffen und seinem Einsatz in der Baukunst, hat er sich mit seinen kreativen Möglichkeiten im Geschichtsbewusstsein der Menschheit, bewusst oder unbewusst, tief verankert. Schon aus diesem Grund dürfen auch die einstigen Macher dieses „gewandelten Naturproduktes Ziegel“ nicht vergessen werden – die Ziegler, die einst in ihren Ziegeleien Schwerstarbeit geleistet haben, aber auch die Architekten und Baumeister, die mit ihrer Kunst und den statischen Berechnungen einzigartige Kulturdenkmale in Ziegelbauweise schufen.
In diesem Zusammenhang soll und muss noch die Göltzschtalbrücke im sächsischen Vogtland Erwähnung finden, die bei ihrer Fertigstellung am 15. Juli 1851 die höchste Eisenbahnbrücke der Welt war und bis heute die weltweit größte Ziegelbrücke ist. Die 78 Meter hohe und 574 Meter lange Bogenbrücke, erbaut für den zweigleisigen Eisenbahnverkehr als Viadukt mit insgesamt 98 Bögen in der Zeit von 1846-1851, sucht ihresgleichen in der Welt.
Der geistige Schöpfer war der Ingenieurwissenschaftler, Professor für Maschinenbau und spätere Direktor der Technischen Bildungsanstalt Dresden (heute TU Dresden), Johann Andreas Schubert (1808-1870). Er entwickelte mit deutschem Ingenieurgeist diese Brücke als erste statisch berechnete Brücke der Welt – von Anfang an war diese komplizierte Konstruktion aus dem Baustoff Ziegel geplant, da Ziegel für den Bau der Viadukte mit ihren berechneten Spannungs- und Ausdehnungsverhältnissen in dieser Größenordnung am geeignetsten erschienen. In unmittelbarer Nähe der Baustelle befanden sich große Lehmvorkommen, und das Baumaterial Ziegel war deshalb vor Ort kostengünstig und schnell zu beschaffen. Täglich wurden 50.000 Ziegel von fast 20 Ziegeleien entlang der Eisenbahnstrecke gebrannt, um dieses außergewöhnliche Bauwerk entstehen zu lassen, welches bis in heutige Zeit einem Wunder an technischer Perfektion und Schönheit gleicht. Insgesamt wurden 26.021.000 Ziegel für das Wunderwerk menschlichen Geistes verbaut.
17. Die Erinnerung bleibt an Silberberg, Ziegelwerk und Lehmgrube –
aber eine neue Zeit prägt das Gelände…
Lese-Probe:
Was in der Erinnerung von dem „Ziegelwerk Radeberg Lotzdorf“ blieb, waren die einstigen Wahrzeichen der Ziegelei mit dem großen und dem kleinen Windkraftrad, mit der weithin sichtbaren Esse und dem Ziegelei-Teich, genannt die Lehmgrube, der noch Jahrzehnte nach der Schließung des Betriebes in den Sommermonaten für illegale Badefreuden „in der Lehmpfütze“ bei Groß und Klein sorgte… Der Lehmgrubenteich diente auch noch Jahrzehnte für Übungszwecke zur Löschwasserentnahme für die freiwilligen Feuerwehren von Radeberg und Umgebung.
Geblieben sind in Radeberg aus der Zeit der tätigen Ziegeleien auch eine Vielzahl sehenswerter und kulturhistorisch wertvoller Bauten, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Klinkeroptik oder gebrannten Ziegeln entstanden sind. Als Kulturdenkmale des Wohnungsbaues oder der Industriekultur stehen sie zum großen Teil unter Denkmalschutz.
In den Jahren nach der Wiedervereinigung 1990 erfolgte die großflächige Verfüllung der Bagger- bzw. Tongrube des einstigen Ziegelwerkes, der große Teich wurde auf etwa 0,7 ha Wasseroberfläche reduziert und das Gebiet der Ziegelei als Gewerbegebiet mit Einkaufscenter und Tankstelle erschlossen. Heute erinnern nur noch die zurückgebaute Dampfesse und der ehemalige, renaturierte Ziegelei-Teich, unmittelbar neben dem Einkaufsgelände des SILBERBERG CENTERS, an die Zeit, wo seit Anfang des 19. Jahrhunderts mit Hacken und Schaufeln und sehr viel später dann mit einem Eimerketten-Bagger Ton und Lehm abgebaut wurde, der anfangs mit Karren, Wagen und letztlich mit der Feldbahn zur Weiterverarbeitung in Lager-, Press-, und Trockenschuppen und letztendlich zum Brand in dem großen Ringofen transportiert wurde.
Die einstige Geschäftigkeit des ehemaligen Ziegelei-Betriebes ist der Geschäftigkeit vieler, jetzt ebenfalls auf dieser Fläche ansässiger großer und kleiner Unternehmen gewichen – eine neue Zeit mit neuen Erfordernissen drückte dem Gelände unterhalb des Silberberges ein neues
Die einstige Geschäftigkeit des Ziegelei-Betriebes ist der Geschäftigkeit vieler, jetzt ebenfalls auf dieser Fläche ansässiger großer und kleiner Unternehmen gewichen – eine neue Zeit mit neuen Erfordernissen drückte dem Gelände unterhalb des Silberberges ein neues Markenzeichen der gesellschaftlichen Entwicklung des 20. und 21. Jahrhunderts auf.
All diesen Unternehmern kann man auf diesem geschichtsträchtigen Boden, unterhalb des Silberberges, nur viel Erfolg und allzeit gute Geschäfte wünschen!
Renate Schönfuß-Krause
November 2020
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· Sofern nichts anderes angegeben ist, stammen die Fotos aus dem privaten Besitz von Familie Koch / Breitenstein. Für die Überlassung und Veröffentlichungsgenehmigung möchte ich mich herzlich bedanken. Die nach heutigen Ansprüchen zum großen Teil unzureichende Bildqualität ist dem Alter und der Art bzw. dem Zustand der Originale geschuldet. Trotzdem sollen diese historischen Bild-Dokumente nicht vorenthalten werden.
· „Quelle Lumpe“: aus W. Lumpe: Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte Heft 9, 2011, S. 9-13
·
Maschinenfabrik Roscher G.M.B.H. (Roscher Görlitz Schlesien), Katalog ca. 1920
http://dachziegelarchiv.de/kat_thumbs.php?kat_id=1645&kat_typ=10#grossbildview
Frau Dr. Westphalen, Leiterin der AG Industriekultur Sachsen 2020, zum Fachvortrag vom 25.1.2020 und evtl. weiteren Vorhaben.